390 8 118. I. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zoll- und Steuerwesens.
Reichsgesetze entweder aufgehoben (resp. abgeändert) oder gedeckt ist.
Denn hinsichtlich dieser Bestimmungen ist der Text der Reichsver-
fassung und der Reichsgesetze an die Stelle der Zollvereinsver-
träge getreten!?).
Was den übrigen Inhalt der Verträge anlangt, so kommen für die
staatsrechtliche Klassifizierung der Vorschriften folgende Punkte in
Betracht:
1. Die Zollvereinsverträge enthalten Bestimmungen über Gegen-
stände, auf welche die Kompetenz des Reiches zur Ge-
setzgebung sich nicht erstreckt; z. B. über die inneren
Verbrauchsabgaben der Einzelstaaten ?), über die Chausseegelder und
anderen Wegeabgaben ?) u. a. Da diese Bestimmungen im Art. 40 der
Reichsverfassung aufrecht erhalten worden sind, ohne daß dem Reich
die Befugnis zur Gesetzgebung über diese Angelegenheiten zugewiesen
worden ist, so ist jede Abänderung dieser Bestimmungen eine Ab-
änderung des Art. 40 selbst und kann folglich nur unter Beobachtung
des Art. 78, Abs.1 erfolgen; diese Bestimmungen sind daher verfas-
sungsrechtliche.
2. Als verfassungsmäßige Anordnungen sind ferner die-
jenigen Bestimmungen anzusehen, welche auf dem Gebiete des Zoll-
wesens dieRechte der Einzelstaaten gegen die des Rei-
ches abgrenzen; insbesondere die Vorschriften im Art. 18 des
Zollvereinsvertrages über das Begnadigungs- und Strafverwandlungs-
recht, im Art. 19 über die Erhebung und Verwaltung der Abgaben
usw.*). Sie sind als Ergänzungen des Art.36 der Reichsverfassung zu
erachten.
3. Soweit die Bestimmungen der Zollvereinsverträge Angelegen-
heiten betreffen, welche unter die verfassungsmäßige Kompetenz des
Reiches zur Gesetzgebung fallen, können dieselben auf dem Wege der
Reichsgesetzgebung aufgehoben und abgeändert werden, da sie ja auch
auf diesem Wege neu erlassen werden können’); sie bilden daher die
Gruppe der Bestimmungen mit einfacher Gesetzeskraft.
1) Eine Zusammenstellung solcher Anordnungen bei Hänel S. 129 ff.
2) Insbesondere kommt hier der Art.5 des Zollvereinsvertrages von 1867 in Be-
tracht, der sowohl hinsichtlich der ausländischen wie der inländischen Erzeugnisse
das Besteuerungsrecht der Einzelstaaten bestimmten Normen unterwirft. Vgl. Hänel
S.138ff.; Delbrück S.2ff. DerArtikelistabgeändert worden durch
das Gesetz vom 27. Mai 1885 (Reichsgesetzbl. S. 109).
3) Zollvereinsvertrag Art. 22; Delbrück S. 84 ff.
4) HänelS. 136; Delbrück S. 80 fg. Hänel hat in seinem Staatsrecht ],
S. 55 ff. seine Ansicht dahin modifiziert, daß er allen Bestimmungen des Zollvereins-
vertrages, welche nach seiner Meinung nur folgerichtige Entwicklungen aus den in
der Reichsverfassung bereits festgestellten Grundsätzen sind, den Oharakter ver-
fassungsmäßiger Anordnungen abspricht. Dahin rechnet er u. a. auch Art. 18 u. 19.
Vgl. jedoch dagegen Meyer, Verwaltungsrecht $ 280, Note 6 (2. Aufl.)
5) HänelS. 131.