Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 118. II. Die Einheit des Zollgebietes. 393 
1. Die Einheit des Zollgebietes. 
I. Das Grundprinzip, welches in der Reichsverfassung an die Spitze 
des das Zoll- und Handelswesen betreffenden Abschnittes (VI) gestellt 
worden ist, lautet: »Deutschland bildet ein Zoll- und Handelsgebiet, 
umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze.« Verfassungsmäßig fällt 
daher das Zollgebiet mit dem Bundesgebiet zusammen; dieser Grund- 
satz ist aber nach zwei Richtungen durchbrochen, indem einerseits 
Gebiete, die nicht zum Reich gehören, dem Zollgebiet angeschlossen 
sind (Zollannexe), und andererseits einzelne Teile des Bundesgebiets 
von der Zollgrenze ausgenommen sind (Zollexklaven). 
1. Art. 2 des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867 bestimmt: »In 
dem Gesamtverein bleiben diejenigen Staaten oder Gebietsteile einbe- 
griffen, welche dem Zoll- und Handelssysteme der vertragenden Teile 
oder eines von ihnen angeschlossen sind, unter Berücksichtigung ihrer 
auf den Anschlußverträgen beruhenden besonderen Verhältnisse.« Hier- 
durch wird nicht nur die Ausdehnung des Zollgebietes auf außer- 
deutsche Gebiete anerkannt, sondern zugleich auch die Berücksich- 
tigung der Anschlußverträge hinsichtlich dieser Gebiete zugestanden !). 
Der Artikel unterscheidet zwei Arten von Annexen, je nachdem die- 
selben dem Zoll- und Handelssystem der Gesamtheit oder einem 
der beteiligten Staaten angeschlossen sind; beide Kategorien sind tat- 
sächlich vorhanden, aber freilich nur in je einem Anwendungsfalle. 
a) Das Großherzogtum Luxemburg ist durch Staatsvertrag ?) 
»dem Zollsystem des Königreichs Preußen und der mit diesem zu einen 
Zollverein verbundenen Staaten« beigetreten und hat gleichzeitig auf 
jede Mitwirkung bei der Verwaltung und Entwicklung der Zollvereins- 
angelegenheiten verzichtet, seine Vertretung in dieser Hinsicht vielmehr 
Preußen übertragen. Der luxemburgische Anschlußvertrag ist aber von 
Preußen zugleich im Namen der übrigen Zollvereinsstaalen abgeschlos- 
sen und von den letzteren ratifiziert worden; er begründete demnach 
ein Gemeinschaftsverhältnis zwischen Luxemburg und sämtlichen 
Vereinsmitgliedern. Nach Einführung der Reichsverfassung trat an die 
Stelle der letzteren das Reich, d. h. an die Stelle des Vereins der Bun- 
desstaat. Anerkannt wurde die Fortdauer des Rechtsverhältnisses in 
dieser Gestalt implicite durch die Uebereinkunft vom 11. Juni 1872 
wegen Uebernahme der Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahnen $ 14, indem 
zugleich die Kündigung desselben ausgeschlossen wurde, solange die 
1) Ueber die Bedeutung, welche der Artikel in den früheren Zollvereinsver- 
trägen hatte, vgl. Delbrück S. 8. Die Behauptung, daß wegen dieser Zoll- 
annexe neben dem Reichsverbande unter den Bundesstaaten noch ein vertrags- 
mäßiges Zollvereinsverhältnis fortdauere, ist haltlos und von Hänel und Delbrück 
bereits in überzeugender Weise widerlegt worden. Siehe S. 386, Note 4. | 
2) Der erste Anschlußvertrag des Großherzogtums ist vom 8. Februar 1842, der 
letzte vom 20./25. Oktober 1865.
	        
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