8 120. Die Verbrauchsabgaben. II. Zuckersteuer. 443
liche war, hat vielfache Veränderungen erfahren. Sie war ursprüng-
lich eine Materialsteuer, d. h. sie wurde von den zur Zuckerproduk-
tion verwendeten Rüben erhoben und bis zum Jahre 1869 allmählich
von 15 Pf. bis 80 Pf. für den Zentner Rüben erhöht. Seit 1861 wurde
die Steuer für den aus dem Zollgebiet ausgeführten Zucker vergütet
und zwar nach der Annahme, daß zur Herstellung eines Zentners
Rohzucker 12!) Zentner Rüben erforderlich seien und demgemäß
wurde die Vergütung auf 10 Mark für den Zentner Rohzucker be-
messen. Da aber infolge der Fortschritte der Landwirtschaft und der
Fabrikationstechnik ein viel geringeres Quantum von Rüben zur Her-
stellung eines Zentners Zuckers genügte, so war die bei der Ausfuhr
herausgezahlte Summe viel größer als die entrichtete Steuer, sie war
eine erhebliche Ausfuhrprämie, welche, je höher die Rüben-
steuer war, desto größer wurde, so daß sie mit dem Wachsen der
Zuckerindustrie und des Zuckerexports in immer steigendem Maße den
finanziellen Ertrag der Zuckersteuer verschlang, während der im In-
land verbrauchte Zucker durch jede Erhöhung der Rübensteuer ver-
teuert wurde.
Dies machte eine Reform der Zuckersteuer zu einem unabweis-
baren Bedürfnis, wobei aber darauf Rücksicht genommen werden
mußte, dem in Deutschland produzierten und exportierten Zucker die
Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt zu erhalten. Eine Reihe von
Gesetzen, welche von 1883 bis 1891 erlassen wurden, erwiesen sich
als ungeeignet zur Beseitigung der erwähnten Uebelstände, bis das
Reichsgesetz vom 27. Mai 1896 (Reichsgesetzbl. S. 117) eine
völlige Neuordnung der Zuckerbesteuerung brachte.
Da die durch die Exportprämien verursachten Nachteile auch in
vielen anderen Staaten sich geltend machten, so gelang es nach langen
Verhandlungen undergebnislosen Versuchen, dieBrüsselerZucker-
konvention vom 95. März 1902 (Reichsgesetzbl. 1903, S. 7) abzu-
schließen, durch welche die beteiligten Regierungen sich verpflichteten,
die Ausfuhrprämien abzuschaffen und den Ueberzoll zu begrenzen !).
Infolge dieser Vereinbarung mußten die $S$ 65 bis 79 des Gesetzes vom
27. Mai 1896 aufgehoben werden; an ihre Stelle trat das Reichsge-
setz vom 6. Januar 1903 (Reichsgesetzbl. S. 1)?).
1) Die ursprünglichen Kontrahenten der Konvention waren das Deutsche Reich,
Oesterreich, Ungarn, Belgien, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Nieder-
lande und Schweden; bei der Verlängerung des Vertrages durch die Zusatzakte vom
28. August 1907 (Reichsgesetzbl. 1908, S. 135) werden auch die Schweiz, Luxemburg und
Peru als Kontrahenten aufgeführt und Rußland ist durch Protokoll vom 19. Dezember
1907 (Reichsgesetzbl. 1908, S. 140) dem Vertrage: beigetreten. Dürch Protokoll vom
17. März 1912 (Reichsgesetzbl. S: 249) wurde die Geltung des Vertrages um 5 Jahre,
bis zum 31. August 1918, vereinbart unter Erhöhung des Ausfuhrkontingents für Ruß-
land; jedoch sind Großbritannien und Italien aus der Vereinigung ausgeschieden.
2) Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz vom 27. Mai 1896 und dem Ab-