524 $ 128. Bedeutung und Feststellung des Haushaltsetatsgesetzes.
vom 11. Mai 1898 stellt in $ 1 den Satz an die Spitze: »Der Staats-
haushaltsetat enthält den Voranschlag für alle im Laufe jedes
Etatsjahres voraussichtlich eingehenden Einnahmen und erforder-
lich werdenden Ausgaben des Staates.« Diese Definition paßt sinngemäß
auf alle Etats.
Weder die Aufstellung des Etats für einen zukünftigen, noch die
Kontrolle der Rechnungen über einen vergangenen Zeitraum hat daher
etwas zu schaffen mit der Gesetzgebung als der staatlichen Regelung
der Rechtsordnung, sondern gehört lediglich zur Verwaltung,
und das Recht, welches die Volksvertretung in beiden Beziehungen
verfassungsmäßig hat, indem ihr der Etat zur Genehmigung, die Staats-
rechnungen zur Entlastung vorgelegt werden müssen, charakterisiert sich
als ein sehr wesentlicher Anteil an der Verwaltung und als eine aus-
gedehnte Kontrolle derselben; durch dieselbe wird die Lehre von der
Teilung der Gewalten auf das entschiedenste widerlegt und praktisch
auf einem großen und wichtigen Gebiete beseitigt.
Wenn demnach Art. 69 der Reichsverfassung den Satz enthält:
»der Reichshaushaltsetat wird durch ein Gesetz festgestellt«,
so ist der Sinn desselben der: »der Reichshaushaltsetat wird ebenso
wie ein Gesetz oder im Wege der Gesetzgebung festgestellt«.
Die praktische Bedeutung des Satzes liegt also in der Anordnung, daß
der Reichshaushaltsetat nur unter Zustimmung des Bundesrates und
des Reichstags festgestellt werden kann und daß die verfassungsrecht-
lichen Regeln über das Zustandekommen eines Reichsgesetzes auch auf
die formelle Behandlung des Reichshaushaltsetats Anwendung finden.
Der Art. 69 bestimmt die Art und Weise, wie der Etat festgestellt
wird; dagegen ist aus den angeführten Worten darüber nichts zu ent-
nehmen, welche materielle Rechtswirkung der Feststellung des Haus-
haltselats zukommt.
Aus dem im Art. 69 der Reichsverfassung sanktionierten Prinzip
ergibt sich im einzelnen folgendes:
1. Zur Feststellung des Etats ist die Uebereinstimmung der Mehr-
heitsbeschlüsse des Bundesrats und des Reichstags erforderlich und
ausreichend. Falls jedoch der Etat die bestehenden Einrich-
tungen auf dem Gebiete des Militärwesens, der Kriegsmarine und
der im Arf. 35 bezeichneten Abgaben unmittelbar oder mittelbar ver-
ändern oder ihre Aufrechthaltung unmöglich machen würde, gibt nach
Art. 5, Abs. 2 der Reichsverfassung im Bundesrate die Stimme des Prä-
sidiums den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechlerhaltung der
daß eine Rechnung den mathematischen Denkgesetzen unterliege und mit dem mensch-
lichen Wollen und Handeln nicht das Mindeste zu tun habe. Allerdings hat jede
Rechnung, auch der Etat, einen solchen rein kalkulatorischen Bestandteil; dies schließt
aber nicht aus, daß nicht die einzelnen Posten, aus denen die Rechnung sich zu-
sammensetzt, vom Willen abhängig sind, wie jeder Kostenanschlag über jedwedes
Unternehmen beweist. Aehnlich wie Hänel auch Rümelina.a. O. S. 315.