$ 128. Bedeutung und Feststellung des Haushaltsetatsgesetzes. 529
und der Ordnung des Reichshaushalts in Zusammenhang stehen, z. B.
die Ermächtigung zur Kontrahierung von Anleihen, zur Verwendung
von Reichsvermögen, zur Erhebung oder Nichterhebung von Ein-
nahmen u. dgl. Selbst Rechtssätze, welche mit der. Finanzwirtschaft
des betreffenden Jahres oder der Finanzwirtschaft des Reiches über-
haupt keinen unmittelbaren Zusammenhang haben, können in dieses
Gesetz aufgenommen werden, da es dem Gesetzgeber freisteht, hetero-
gene Dinge in einer Gesetzesurkunde miteinander zu verbinden, und
die Form, in welcher der Etat festgestellt wird, den staatsrechtlichen
Anforderungen zur rechtsverbindlichen Anordnung von Rechtsgrund-
sätzen entspricht‘). Keineswegs kann aber der Reichstag eigenmächtig
Abänderungen der bestehenden Gesetze und gesetzlich begründeten
Einrichtungen in das Etatsgesetz einfügen und die Bewilligung des
Etats davon abhängig machen, daß die Regierung diese Abänderungen
genehmigt; die Regierung braucht sich eine solche »Bepackung« des
Etatsgesetzes mit dergleichen, seinem Zweck widersprechenden Be-
stimmungen nicht gefallen zu lassen °),
2. Der Etat selbst besteht aus zwei Hauptabteilungen, Ausgaben
und Einnahmen. Der Ausgabenetat zerfällt wieder in zwei Teile,
»Fortdauernde Ausgaben« und »Einmalige Ausgaben«, und bei den
letzteren findet sich die Scheidung in den ordentlichen und außer-
ordentlichen Etat. Die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats
sind solche, welche aus den regulären Einnahmen des Reiches gedeckt
werden; die einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etats dagegen
werden aus den Beständen gewisser Spezialfonds oder aus den Erträgen
der Reichsanleihen gedeckt?).
Die Ausgaben sind nach den Zentralverwaltungsbehörden, die Ein-
nahmen nach den Einnahmequellen gruppiert und nach Kapiteln und
Titeln zusammengefaßt. In der Gestalt, in welcher der Etat in dem
Reichsgesetzblatt verkündet wird, sind de Summen und Bezeich-
nungen der einzelnen Kapitel und die Anzahl der Titel, in welche
1) Laband, Budgetrecht S. 14fg.; Prazäk im Archiv für öffentl. Recht II,
S.455fg.; Seligmanna. a. O.S. 85, Note 1 u. S. 90.
2) Vgl. die Erklärung des Staatssekretärs des Reichsschatzamtes Graf Posa-
dowsky in der Sitzung des Reichstages vom 20. März 1896 (Stenogr. Berichte
S. 1611) und Seydel, Kommentar S. 395. Viele deutsche Landesverfassungen ent-
halten die ausdrückliche Anerkennung dieses Satzes. Siehe G. Meyer, Staatsrecht
$ 204, Note 14.
3) Art. 73 der Reichsverfassung nennt solche Ausgaben „außerordentliche Be-
dürfnisse“. Wenn eine Ausgabe im außerordentlichen Etat bewilligt wird, so hat
dies staatsrechtlich die Bedeutung, daß durch dieselbe die Matrikularbeiträge
der Einzelstaaten nicht erhöht werden sollen, sondern die Deckung der Ausgabe
durch eine Reichsanleihe erfolgen soll. In den Etats der Einzelstaaten hat die
Scheidung der einmaligen Ausgaben in solche des ordentlichen und solche des außer-
ordentlichen Etats gar keine staatsrechtliche Bedeutung, sondern dient nur zur leich-
teren Uebersicht der Verwendungszwecke der Anleihen.