Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

534 8 128. Bedeutung und Feststellung des Haushaltsetatsgesetzes. 
Reiches beruhen vielmehr auf dauernden, einer jährlichen Genehmigung 
nicht bedürftigen gesetzlichen Titeln. Die Einnahmen aus den Ge- 
bühren, die für die Reichskasse erhoben werden, aus den Zöllen und 
Steuern, aus den Reichseisenbahnen, aus dem Reingewinn der Reichs- 
bank, die Zinsen aus belegten Reichsfonds usw. fließen in die Reichs- 
kasse, ohne daB die Ansätze des Etats von irgendwelcher Bedeutung 
sind. Die letzteren sind keine Ermächtigungen zur Erhebung der Be- 
träge, sondern sie haben den Charakter finanzwissenschaftlicher kal- 
kulatorischer Schätzungen. Abgesehen von diesen Einnahmen sind 
folgende Rechtssätze von unbezweifelter Geltung: 
1. Neue Einnahmequellen, für welche der Reichsregie- 
rung in den bisherigen Gesetzen ein Rechtstitel nicht gegeben war, 
können nur unter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstages 
eingeführt werden, gleichviel ob die Einnahme eine dauernde oder 
einmalige ist. 
2. Die Regierung kann sich Einnahmen durch Kontrahierung von 
Anleihen, gleichviel ob dieletzteren als fundierte Schuld oder in Form 
von Schatzanweisungen emittiert werden, nur verschaffen, 'wenn sie 
durch ein Reichsgesetz dazu ermächtigt worden ist (Reichsverfassung 
Art. 73). 
3. Die Regierung kann sich nicht ohne Zustimmung des Reichs- 
tages durch Veräußerung oder Verwendung von Reichsfinanzver- 
mögen Einnahmen verschaffen. Wenigstens ist bei der Verwendung 
der französischen Kriegskostenentschädigung dieser Grundsatz unbe- 
stritten und allseitig anerkannt und wiederholt befolgt worden. So- 
weit durch Reichsgesetze Teile dieser Entschädigungsgelder bestimmten 
Zwecken zugewiesen worden sind, konnten sie nicht einseitig von der 
Reichsregierung diesen Zwecken entzogen und anderweitig verwendet 
werden; eine spezielle Bestätigung hat dieser Grundsatz hinsichtlich 
der Aktivbestände des Invalidenfonds durch das Reichsgesetz vom 
23. Mai 1873, $ 15 (Reichsgesetzbl. S. 122) erhalten'). 
4. Hinsichtlich ‘des Verwaltungsvermögens besteht zwar 
kein Rechtssatz, wonach die Veräußerung von unbrauchbar oder ent- 
behrlich gewordenen Objekten an die Genehmigung des Bundesrates 
und Reichstages gebunden wäre. Aber die Reichsregierung kann die 
Einnahmen aus Veräußerungen solcher Gegenstände nicht zur Be- 
streitung von Ausgaben verwenden, welche nicht im Reichshaushalts- 
etat aufgeführt sind, sondern muß sie im Etat als Einnahmen ein- 
stellen. Dieser Grundsatz ist zuerst für einen besonderen Anwendungs- 
fall durch das Reichsgesetz, betreffend die französische Kriegskosten- 
1) Auch bei den übrigen aus der französischen Kriegsentschädigung gebildeten 
Fonds ergab sich aus der in der Form des Gesetzes fixierten Zweckbestimmung der- 
selben, daß die Regierung sie nicht zu einem anderen Zwecke zu verwenden befugt 
war, sofern sie nicht hierzu in der Form des Gesetzes ermächtigt wurde.
	        
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