Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

548 8 129. Die Wirkungen des Etatsgesetzes. 
Die bis zum Jahresabschluß nicht verwendeten Beträge bleiben für die 
in den beiden nächstfolgenden Jahren unter demselben Titel zahlbar 
werdenden Ausgaben neben dem laufenden Etats-Soll zur Verfügung, 
insofern nicht eine ausdrückliche Bemerkung zum betreffenden Titel 
eine Uebertragung auf längere Zeit gestattet‘. Nur für die Ausgaben 
für das Heer besteht mit Rücksicht darauf, daß die Militärverwaltung 
nicht vom Reich selbst geführt wird und demgemäß Abrechnungen 
zwischen der Reichshauptkasse und den betreffenden Landeskassen 
erforderlich sind, auch hinsichtlich derjenigen Ausgabefonds, welche 
nicht von einem Jahre in das andere übertragbar sind, eine Restperiode 
von 6 Monaten nach dem Bücherabschluß. Jedoch dürfen während 
der Restperiode auf die noch offen gehaltenen Fonds keine Ausgaben 
für das laufende Jahr und andererseits auf die Fonds des letzteren 
keine aus den offen gehaltenen Fonds zu bestreitende Ausgaben an- 
gewiesen werden ?). 
b) Die Vorschußverwaltung ist im allgemeinen untersagt 
und höchstens insoweit zulässig, als sie lediglich als verfrühte Zahlungs- 
leistung, als Kassenauslage, erscheint. Besonders wichtig aber ist es, 
die Vorschußverwaltung von den Etatsüberschreitungen zu 
unterscheiden, da die letzteren sich leicht unter dem Deckmantel der 
ersteren verbergen können. Der entscheidende Gesichtspunkt ist hier 
derselbe wie bei der Auseinanderhaltung der Restverwaltung von den 
Ausgabenersparnissen. 
Wenn die laufenden Verwaltungsbedürfnisse eines 
Jahres in größerem Umfange, resp. mit der Aufwendung größerer Geld- 
mittel, als der Etat dafür auswirft, befriedigt werden, so liegt stets 
eine Etatsüberschreitung vor, selbst wenn die gegründetste Hoffnung 
vorhanden ist, daß gerade mit Rücksicht auf die vollständigere Be- 
friedigung im folgenden Jahre ein geringerer Betrag als der gewöhn- 
lich dafür im Etat ausgesetzte genügen werde®). Auch wenn diese 
Hoffnung sich wirklich erfüllt, liegt im ersten Jahre eine Etatsüber- 
schreitung, im:zweiten eine Ausgabenersparnis vor, die sich im finan- 
ziellen Resultate kompensieren, aber nicht staatsrechtlich gegenseitig 
1) Entwurf 8 26. 2) Entwurf S 28. 
3) Daher können z. B. Ausgaben der Telegraphenverwaltung zur Vermehrung 
von Telegraphenleitungen oder zur Anschaffung von Grundstücken u. dgl. über den 
etatsmäßigen Betrag hinaus oder Mehrausgaben der Marineverwaltung für Schiffs- 
verpflegung, Materialien und Inventarien u. dgl., welche für das Bedürfnis des laufen- 
den Jahres verwendet werden, nicht als Vorschüsse, sondern als Etatsüberschrei- 
tungen angesehen werden. Ein hiervon abweichendes Verfahren der Jahre 1867—1869 
ist vom Rechnungshof mit Recht gerügt und die Inkorrektheit von der Reichsregie- 
rung anerkannt worden. Vgl. die Denkschrift vom 6. Mai 1872 zu dem Gesetzent- 
wurf, betreffend die Regelung des Reichshaushalts vom Jahre 1871, S. 8 (Drucksachen 
des Deutchen Reichstags III. Session 1872, Nr. 59) und das Monitum des Rechnungs- 
hofes vom 11. Juni 1871 (ebendaselbst Nr. 110). Infolgedessen wurde das Reichsgesetz 
vom 29. März 1873 (Reichsgesetzbl. S. 59) erlassen, welches für die Etatsüberschrei- 
tungen „Indemnität“ bewilligte und Deckungsmittel anwies.
	        
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