8 130. Die Verwaltung ohne Etatsgesetz. 557
fassung die einzelnen Bundesstaaten fortdauernd verpflichtet, jährlich
so viel mal 225 Taler als die Kopfzahl der Friedensstärke ihrer Heeres-
Kontingente beträgt, zur Reichskasse fortzuzahlen. Diese Verpflichtung
ist von der gesetzlichen Feststellung des Budgets nicht abhängig ge-
macht. Es erhebt sich nun die Frage, wie sich diese Verpflichtung zu
den anderen Einnahmen des Reiches verhält. Ihr Zweck besteht, wie
sich aus dem Wortlaut des Art. 62 der Reichsverfassung und der Ent-
stehungsgeschichte desselben ergibt, darin, eine gewisse Summe zur
Bestreitung des Aufwandes für das Heer sicherzustellen). Daraus
folgt, daß die Reichsregierung von den Erträgen der vom Etatsgesetz
unabhängigen Einnahmen denjenigen Teil, welcher nach Leistung der
unerläßlichen anderen Ausgaben, zu denen die Reichsregierung gemäß
den vorstehenden Erörterungen auch ohne Etatsgesetz befugt oder
verpflichtet ist, übrig bleibt, zur Bestreitung der Militärausgaben zur
Verfügung stellen muß, und daß die einzelnen Staaten alsdann noch
diejenige Summe zuzulegen verpflichtet sind, welche zur Kompletierung
des Pauschquantums von 225 Talern für den Kopf erforderlich ist.
Diese Summen würden an die Stelle der in Jahren mit gesetzlich fest-
gestelltem Etat zu zahlenden Matrikularbeiträge treten ?).
b) Einnahmen aus der Veräußerung der im Besitz der Reichsver-
waltung befindlichen Grundstücke darf die Reichsregierung nur
unter Genehmigung des Bundesrats und des Reichstags verausgaben;
sofern diese Genehmigung nicht anderweitig erfolgt ist, sind solche
Einnahmen im nächsten Reichshaushaltsetat einzustellen’). Daraus
folgt, daß, wenn ein Etatsgesetz nicht zustande gekommen ist, die
Reichsregierung Einnahmen dieser Art nicht verausgaben darf, sondern
sie als disponibles Vermögen des Reiches aufbewahren muß, falls sie
nicht die spezielle Genehmigung des Bundesrats und Reichstags zur
Verwendung dieser Beträge erhalten hat.
III. Den hier entwickelten Grundsätzen entsprechen die S. 551 Note 2
erwähnten neueren Gesetze zur Regelung des Reichshaushalts, wenn er
gesetzlich nicht festgestellt ist. Sie ermächtigen den Reichskanzler:
1. hinsichtlich der Ausgaben, diejenigen zu leisten, welche er-
forderlich sind:
Der Mangel eines Budgets hat nur die Folge, daß dem Reichskanzler die amtliche
Ermächtigung fehlt, die Matrikularbeiträge auszuschreiben, d. h. von den
Staaten Namens der Gesamtheit mit Rechtsverbindlichkeit zu fordern. Dagegen
ist es dem Reichskanzler nicht verwehrt, auf Grund einer Verständigung der ver-
bündeten Regierungen untereinander, Matrikularbeiträge entgegenzunehmen.*
1) Vgl. hierüber oben S. 9 fg.
2) Eine praktische Anwendung dürfte Art. 62, Abs. 2 der Reichsverfassung
allerdings schwerlich finden, schon deshalb, weil er für die Bestreitung des Auf-
wandes für das Heer keine genügenden Mittel bietet; rechtlich aufgehoben ist er
aber weder durch die Beendigung der Pauschquantumsperiode noch durch die Militär-
und Finanzgesetzgebung des Reiches.
3) Reichsgesetz vom 25. Mai 1873, $ 11. Siehe oben S. 536.