Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

‚Anhang. Die neuere deutsche Literatur über das Budgetrecht. 581 
Ursprung und seiner Entwicklung darlegt!) und indem er das Budget 
für einen Wirtschaftsplan (S. 277 fg.), die Budgetfestsetzung für einen 
Verwaltungsakt (S. 284), die legislatorische Freiheit für inhaltlich ge- 
bunden durch alle, dauernde Einnahmen und dauernde Ausgaben be- 
gründenden Gesetze erklärt (S. 280 ff.)2). Er schließt daraus mit Recht, 
daß das Budget zwar eine unumgängliche wirtschaftliche Be- 
dingung der Finanzverwaltung ist (S. 291), daß dagegen »im Budget 
und Finanzgesetze, sofern es auf bestehenden Gesetzen beruht, in 
keinem Sinn eine Vollmacht vorhanden ist« (S. 293). Anstatt 
nun aber aus diesen richtigen Vordersätzen die richtigen Folgerungen 
abzuleiten, bricht Jellinek plötzlich aus der Bahn mit der Behaup- 
tung, das Budgetgesetz erteile zwar nicht der Regierung das Recht 
zur Finanzverwaltung, aber es sei die verfassungsmäßig erforderte, 
notwendige Bedingung für dieselbe (S. 292 ff... Daraus schließt 
er, daß wenn diese »Bedingung« nicht erfüllt ist und die Verfassung 
eines bestimmten Staates nicht ausdrücklich anordnet, was in diesem 
Falle Rechtens sein solle, die Fortführung der Staatsverwaltung ohne 
Etatsgesetz, auch wenn das letztere ohne Verschulden der Regierung nicht 
zustande kommt, eine »formelle Verfassungswidrigkeit« von seiten der 
Regierung sei (S. 303 ff.) 
Zwischen dieser Theorie und der Lehre, welche in dem Etatsge- 
setz die verfassungsmäßig erforderliche und notwendige Ermächti- 
gung der Regierung zur Führung der Staatsgeschäfte sieht, besteht 
nicht der geringste Unterschied. Wenn die Regierung einer alljähr- 
lichen Ermächtigung zur Finanzverwaltung in der Form des Budget- 
gesetzes bedarf, so ist eben die Erteilung dieser Ermächtigung die »Be- 
dingung«, unter welcher die Regierung diese Befugnis hat, und es ist 
lediglich eine andere Redeform, ob das Budgetgesetz hypothetisch oder 
kausal mit jener Befugnis in Beziehung gesetzt wird’). Jellinek 
befindet sich daher, obgleich er sich (S. 293, Note 12) dagegen sträubt, 
ganz auf demselben Standpunkt wie Seidler, Budget und Budget- 
theorie, Wien 1885, und alles, was ich im Archiv für öffentliches 
Recht Bd. 1, S. 172 ff. (1886) gegen dessen Ausführungen bemerkt 
habe), gilt auch hinsichtlich der von Jellinek aufgestellten Nuance 
derselben Doktrin. Die Gesetze, welche dauernd Zölle und Steuern 
einführen, welche Betriebsanstalten des Staates und Gebühren anord- 
nen, knüpfen die Erhebung dieser Einnahmen nirgends an die jähr- 
1) Insbesondere auch die Geschichte des konstitutionellen Budgetrechts S. 130 
bis 177. 
2) Den Verfassungseid der Abgeordneten bezieht er in erster Linie auf die Be- 
obachtung dieser gesetzlichen Gebundenheit bei der Feststellung des Budgets (S. 290). 
3) Zorn, Annalen 1889, S. 372 bezeichnet mit Recht diese Unterscheidung als 
„Wortspielerei“. Ob man sagt: „Infolge des Regens wird es naß“ oder „wenn es 
regnet, wird es naß“, kommt auf Eins hinaus. 
4) Vgl. auch Seligmanna.a. O. S. 85 fg.
	        
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