Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

592 Anhang. Die neuere deutsche Literatur über das Budgetrecht. 
genommen werde, welcher auch noch das rechtlich Irrelevante auf- 
nehmen soll«.. Damit macht er sich freilich seine Sache sehr leicht: 
er setzt gleich voraus, was erst bewiesen werden soll, und weist zu. 
rück, was zu seiner Thesis nicht stimmt. Indes die »von der Schwelle 
zurückgewiesenen« Gesetze ohne Rechtsinhalt erscheinen plötzlich wie- 
der. Hänel kann sich doch nicht verhehlen, daß man aus den Ge- 
setzgebungen aller Völker und Zeiten zahllose Beispiele solcher Gesetze 
ihm vorführen kann; darunter manche, an deren Abfassung er als 
Volksvertreter selbst teilgenommen hat. Er muß nämlich bekennen 
{S. 169), daß sich der Gesetzgeber einer mehr oder minder entschuld- 
baren Verkennung seines Berufes schuldig machen und »das Dar- 
stellungsmittel dazu benutzen kann, um die Form des Gesetzes 
zu vermischen und zu verbinden mit allem, was 
überhaupt der sprachlichen Darstellung fähig ist«e. 
Hier haben wir also das formelle Gesetz ohne Rechtsinhalt in op- 
tima forma. Es ist ein nichtssagender sophistischer Kunstgriff, wenn 
Hänel hinzufügt: »Freilich immer nur das Gesetz als Text, als sprach- 
liches und schriftliches Dokument«; denn die Form des Gesetzes be- 
zieht sich eben auf den Gesetzestext und auf den ganzen Gesetzes- 
text. Es ist ganz willkürlich, wenn Hänel aus einem »Gesetzestext« 
diejenigen Bestandteile aussondern will, welche einen rechtlichen In- 
halt haben, und diejenigen, welche rechtlich irrelevant sind, und von 
den letzteren sagt, daß sie »Gesetze im Sinne Rechtens überhaupt.nicht 
sind«. Hier tritt die Petitio principii unverhüllt zutage. Was berech- 
tigt Hänel, die Gesetze in solche einzuteilen, die »es im Sinne Rech- 
tens« sind, und in solche, die es nicht sind? Wie stimmt es, daß »in 
der Form des Gesetzes nur darstellbar« sein soll, was Nachachtung 
und Gehorsam heischt; das »Darstellungsmittel der Gesetzesform« aber 
alles umfassen kann, was überhaupt der sprachlichen Darstellung fähig 
ist? Ob, wie Hänel glaubt, ein »vernünftiger« Gesetzgeber nur wirk- 
liche Rechtssätze in den Text seiner Gesetze aufnehmen soll, kann un- 
erörtert bleiben, da er selbst einräumt, daß es auch unvernünftige Ge- 
setzgeber gegeben hat und geben wird, solange es unvernünftige Men- 
schen gibt (S. 171). Unvernünftige Gesetze sind eben auch Gesetze, 
und bisher hat noch niemals und nirgends ein Gesetzgeber existiert, 
der sich an die Hänelsche Regel gebunden hätte. Man muß ab- 
warten, ob vielleicht mit der Hänelschen Monographie die Aera der 
vernünftigen Gesetzgebung beginnen wird. Hänel nimmt, wie er selbst 
sagt, gegen die Gesetzgeber, welche in die »Gesetzestexte« Sätze ohne 
rechtlich relevanten Inhalt aufnehmen, keine Rücksichten der Höf- 
lichkeit, sondern er bezeichnet sie als»Narren«, und erklärt sich nicht 
für verpflichtet, »auch noch für den Unsinn, mag er auf Unverstand 
oder auf Bosheit beruhen, wissenschaftliche Kategorien bereit zu hal- 
ten«; in seiner Leidenschaftlichkeit übersieht er aber, daß die Anwen- 
dung der Gesetzesform auf andere staatliche Akte als auf die Aufstel-
	        
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