Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 99. Die Militärhoheitsrechte der Einzelstaaten. 61 
durch die Reichsgesetzgebung geregelt!). Prinzipiell besteht demnach 
hinsichtlich des Heerwesens dasselbe Verhältnis, wie auf allen den- 
jenigen Gebieten der Staatstätigkeit, welche durch Reichsgesetz ge- 
regelt, den Einzelstaaten aber zur Selbstverwaltung überlassen sind, 
und die Truppenkörper unterscheiden sich in dieser Beziehung nicht 
von den ordentlichen Gerichten, den Landes-Arbeiterversicherungsan- 
stalten, der bayerischen und württembergischen Post, den Zoll- und 
Steuerämtern usw. 
Aus diesem Prinzip ergibt sich, daß den Einzelstaaten mit Aus- 
nahme der Militärgesetzgebung diejenigen Rechte zustehen, welche 
in der Militärhoheit überhaupt enthalten sind, nämlich Kommando, 
Gerichtsbarkeit und Verwaltung, alle diese Rechte aber mit eingreifen- 
den Beschränkungen. 
1. De Kommandogewalt der Landesherren hat in 
der Reichsverfassung Art. 66 ausdrückliche Anerkennung gefunden, 
indem die Bundesfürsten (und Senate) das Recht haben, die Offiziere 
ihrer Kontingente zu ernennen. Denn selbstverständlich besteht die 
Kommandogewalt des Landesherrn nicht darin, daß er persönlich 
die Truppen einexerziert und befehligt, so wenig wie seine Regierungs- 
gewalt darin besteht, daß er selbst die Verwaltungsverfügungen abfaßt. 
Indem der Landesherr einen Offizier ernennt, überträgt er ihm die 
seiner Stellung entsprechende Kommandogewalt;, er übt dadurch also 
die letztere aus’). Die Ernennung der Offiziere vollzieht der Landes- 
herr nicht im Namen und in Vertretung des Kaisers; die Offiziere leiten 
ihre militärische Gewalt daher nicht vom Kaiser, sondern vom 
Landesherrn ab). 
Die Kommandogewalt der Landesherren ist aber dadurch beschränkt, 
daß alle Truppen dem Oberbefehl‘) des Kaisers unterstellt 
1) Aus der Zuständigkeit des Reichs zur Militärgesetzgebung folgert Brock- 
haus S. l4fg., 214 fg., daß es einzelstaatliche Kontingente nicht gebe, sondern das 
Heer eine innere unteilbare Einheit sei. Ebenso Bornhak S. 36 u. a. Wäre diese 
Folgerung schlüssig, so gäbe es auch kein selbständiges bayerisches Kontingent, 
da sich die Zuständigkeit des Reichs zur Militärgesetzgebung auch auf Bayern er- 
streckt, und man müßte — da man sich doch nicht für die Reichsmilitärverfassung 
eine besondere Logik zurecht machen darf — dieselbe Folgerung auch für alle Zweige 
der staatlichen Tätigkeit ziehen, welche nach Art. 4 der Reichsverfassung der Reichs- 
gesetzgebung unterliegen. Hierdurch erweist sich diese Argumentation als hinfällig. 
2) Vgl. auch BornhakS. 40. 
3) Soweit die Landesherren durch Konventionen auf die Ausübung dieses Rechts 
verzichtet haben, übt es der König von Preußen aus. 
4) Die Reichsverfassung Art. 63, Abs. 1 sagt, daß die Landmacht unter dem 
Befehl des Kaisers steht. Daraufhin macht Hänel S. 487, 500 eine Unterschei- 
dung zwischen „Befehl“ und „Oberbefehl“, welche die wesentlichste Stütze seiner 
Theorie von dem juristischen Wesen der Reichsmilitärverfassung bildet. Während 
die Grundzüge vom 14. Juni 1866 — sagt Hänel — dem König von Preußen nur 
einen Oberbefehl zuschrieben, stehe nach der nordd. Bundesverfassung die ge- 
samte Landmacht unter dem Befehl des Königs von Preußen; dadurch habe sich 
die Verfassung „auf eine vollkommen andere Grundlage gestellt“. Dies wird mit
	        
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