$ 99. Die Militärhoheitsrechte der Einzelstaaten. 13
Staat. Unter den Staaten des Reiches besteht gesetzlich derselbe Zu-
stand, wie er vor Gründung des Reiches bereits zwischen dem
Norddeutschen Bunde, Baden und Südhessen vertragsmäßig hergestellt
war'). Art. 2 des Vertrages zwischen dem Norddeutschen Bunde und
Baden vom 25. Mai 1869 (Bundesgesetzbl. S. 676) besimmt:
»Es steht badischen Staatsangehörigen frei, im Norddeutschen
Bunde, bzw. Angehörigen des letzteren im Großherzogtum Baden
ihre aktive Militärdienstpflicht mit der Wirkung abzuleisten, daß
sie damit der Verpflichtung zum aktiven Dienstin
ihrem Heimatstaat genügen. |
Daraus ergibt sich von selbst die völlige Haltlosigkeit einer Theorie,
welche aus der sogenannten militärischen Freizügigkeit, d. h. der Be-
fugnis des Wehrpflichtigen, in jedem deutschen Truppenkörper die
aktive Dienstpflicht zu erfüllen, den Schluß ziebt, daß das Recht auf
Leistung der Wehrpflicht nur dem Reich zustehen könne?) Die
Wehrpflicht im Frieden ist eine militärische Schulpflicht; »Heer und
Flotte sind die Bildungsschulen der ganzen Nation für den Krieg« °).
Ebenso wie die Schulpflicht der Kinder regelmäßig am dauernden
Aufenthaltsort erfüllt wird, auch wenn derselbe außerhalb des Heimat-
staates lieg, so kann auch die militärische Schulpflicht in jedem
Truppenkörper des ganzen Reichsheeres erfüllt werden, da sie alle
gleichmäßig eingerichtete, gleich taugliche und gleichmäßig anerkannte
militärische Schulen sind %). Damit entfällt auch das Argument, daß
es in der Marine keine Kontingente gebe, der Dienst in der Marine
also notwendig dem Reich geleistet werden müsse, für die Marine
aber kein anderes Prinzip wie für das Heer gelten könne. Allerdings
besteht dasselbe Prinzip für die Marine wie für das Heer. Aber auch
durch den Dienst in der Marine genügt man der militärischen Schul-
pflicht gegen den Heimatstaat; der Unterschied ist nur der, daß die
Marine eine militärische Bildungsschule des Reiches ist. Aus dem
Umstande, daß die Kriegsflotte eine Reichsanstalt ist, folgt nicht,
daß die Ableistung der Wehrpflicht in der Marine nicht Erfüllung
einer Untertanenpflicht gegen den Heimatstaat sein könne. Die
Reichsverfassung erkennt ausdrücklich an, daß die Militärpflicht eine
Militärpflicht gegen den Heimatstaat ist, indem sie in Art. 3, Abs. 5
die Bestimmungen enthält:
»Hinsichtlich der Erfüllung der Militärpflicht im Verhältnis
1) Dies hebt Bornhak S. 37 zutreffend hervor.
2) Diese irrtümliche Ansicht ist von G. Meyer, Annalen 1880, S. 344 ff. und
Verwaltungsrecht $ 187 S. 525 fg. aufgestellt, von Schulze Il, S. 266 fg., und
Brockhaus S. 113 angenomen worden. Sie ist auch in einige Dissertationen über-
gegangen. Der von mir entwickelten Ansicht haben sich vollkommen angeschlossen
Seydel, Kommentar, S. 312 ff, Gümbelin Hirths Annalen 1899, S. 147 ff. An-
schütz Encyklop. S. 626; Burhenne S. 19fg.; Hecker Art. Fahneneid in
Stengels Wörterbuch I S. 375. 3) Wehrgesetz $ 4.
4) Archiv für öffentliches Recht Bd. 3, S. 519.
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