80 $ 100. Die Festungen und Kriegshäfen.
Die vorstehend aufgeführten Rechtssätze haben für Bayern keine
Geltung; alle militärischen Oberbefehlshaberrechte des Kaisers sind im
Frieden auch rücksichtlich der bayerischen Festungen ausgeschlos-
sen!) und es steht ihm nur ein Recht zur Inspektion derselben in
demjenigen Umfange zu, der oben S. 42 für die Inspektion des baye-
rischen Kontingents festgestellt worden ist. Die Erhaltung der Fe-
stungen Ingolstadt und Germersheim und der im bayerischen Gebiet
auf Kosten des Reiches etwa künftig errichteten Festungen in voll-
kommen verteidigungsfähigem Stande ist eine verfassungsmäßige Pflicht
Bayerns, die es gemäß der ihm eingeräumten militärischen Sonder-
stellung unabhängig und selbständig zu erfüllen hat’). Im Kriege da-
gegen, d. h. mit Anordnung der Kriegsbereitschaft (Mobilisierung) des
bayerischen Kontingents erstreckt sich der militärische Oberbefehl des
Kaisers auch auf die bayerischen Festungen. Das preußische Gesetz
über den Belagerungszustand findet in Bayern aber auch im Fall des
Krieges keine Anwendung 3).
4. Alle im Bundesgebiet vorhandenen Festungswerke, mögen die-
selben bei Gründung des Norddeutschen Bundes beziehentlich des
Deutschen Reiches schon vorhanden gewesen oder erst später herge-
stellt worden sein, nebst allen dazu gehörenden Gebäuden, Grund-
stücken und Ausrüstungsgegenständen sind Eigentum des Deut-
schen Reichs‘) Dagegen ist das gesamte in Bayern befind-
liche Festungsmaterial an unbeweglichen und beweglichen
Gegenständen Eigentum des Königreichs Bayern, da die Verwaltung
der bayerischen Festungen, ihre Ausrüstung, Erhaltung usw. nicht
aus Reichsmitteln erfolgt, sondern Bayern diese Kosten ausschließlich
und allein trägt’). Auch für den Fall, daß in Bayern auf gemein-
schaftliche Kosten neue Befestigungen angelegt werden sollten, ist ver-
abredet worden, daß dieselben bezüglich ihres immobilen Materials in
das ausschließliche Eigentum Bayerns treten, während das bewegliche
Material gemeinsames Eigentum der Staaten des Reiches und Bayerns
wird ®).
Im übrigen findet der Verfassungsgrundsatz, daß die Kosten und
Lasten des Kriegswesens von allen Bundesstaaten gleichmäßig zu tra-
1) In betreff der Fortifikation von Neu-Ulm siehe unten Nr. 5.
2) Schlußprotokoll vom 23. November 1870, Art. XIV, 81.
3) Siehe oben S. 50.
4) Reichsgesetz vom 25. Mai 1873, $ 1 (Reichsgesetzbl. S. 113). Ueber die Rück-
gabe entbehrlich werdender Festungsgrundstücke vgl. $S 7 u. 8 desselben Gesetzes
und Art. IV, Abs. 1 und V des Reichsgesetzes vom 30. Mai 1873 (Reichsgesetzbl.
S. 124).
5) Vertrag vom 23. November 1870, III, 8 5 (Zusatz zu Art. 58 der Reichsver-
fassung).
6) Schlußprotokoll vom 23. November 1870, $ 2. Auf solches mobiles Festungs-
material soll eintretenden Falles die Uebereinkunft vom 6. Juli 1869 über das Material
der ehemaligen deutschen Bundesfestungen Anwendung finden.