Full text: Das Kaisertum in den Verfassungen des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 und vom 16. April 1871.

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Nach $ 72 der Verfassung von 1849 bezieht der 
Kaiser eine Zivilliste. Das geltende Reichsstaatsrecht 
kennt eine kaiserliche Zivilliste nicht; der kaiserliche 
Dispositionsfonds, der Kaiserpalast in Strassburg und 
die kaiserliche Jacht haben lediglich die Bedeutung 
einmaliger bezw. dauernder Aufwendungen für Reichs- 
zwecke aus der Reichskasse. Ein rechtliches Ver- 
hältnis, dem der Zivilliste des 8 72 entsprechend, be- 
steht somit nicht. Bemerkenswert ist die Bestimmung 
in dem Relativsatz des $ 72 der Frankfurter Ver- 
fassung: „welche der Reichstag festsetzt“. 
Über die Insignien der kaiserlichen Würde ent- 
hält die Verfassung der Paulskirche keine Bestimmungen, 
ebensowenig wie die Verfassung von 1871. Man wird 
annehmen dürfen, dass bei Verwirklichung des Ver- 
fassungswerks im Jahre 1849 die Ergänzung der Ver- 
fassung in diesem Punkte nicht wesentlich anders sich 
gestaltet haben würde, als es 1871 durch die K. V. 
vom 3. August (R.-G.-Bl. S. 318, 458) geschehen ist. 
Ein System vom Kaiser zu verleihender Orden und 
Ehrenzeichen würde dem Geiste der Verfassung von 
1849 trotz oder vielleicht grade wegen der Vorschrift 
des 8 137 nicht widersprechen. Der Kaiser des neuen 
Deutschen Reiches verleiht in seiner Eigenschaft als 
solcher zwar den Ratstitel, dagegen gibt es keine 
kaiserlichen Orden; solche würden indessen m. E. 
mit dem staatlichen Organismus der Verfassung un- 
seres heutigen Deutschen Reiches auch nicht unverein- 
bar sein. 
8 71 der Verfassung der Paulskirche trifft An- 
ordnungen über die Residenz des Kaisers. Es heisst dort: 
„Die Residenz des Kaisers ist am Sitze der Reichs- 
„regierung. Wenigstens während der Dauer des Reichs- 
„tags wird der Kaiser dort bleibend residieren.