Full text: Das Kaisertum in den Verfassungen des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 und vom 16. April 1871.

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Neben: dem internationalen Vertragsrecht des 
Reichs kennt die Verfassung der Paulskirche auch 
noch ein solches der Einzelstaaten: 8$6 Abs. la. E., 
8 Abs.2und 9. Nach 8 8 Abs. 2 ist indessen die Kom- 
petenz der Einzelstaaten in dieser Beziehung beschränkt 
auf „Gegenstände des Privatrechts, des nachbarlichen 
Verkehrs und der Polizei“. Überdies sind „alle Ver- 
träge nicht rein privatrechtlichen Inhalts“ nach den 
$$ 9,78 „dem Kaiser zur Kenntnisnahme und, insofern 
ein Reichsinteresse dabei beteiligt ist, zur Bestätigung 
vorzulegen“. Den Einzelstaaten bleibt also ein Ver- 
tragsrecht mit dem Auslande nur dem Scheine nach. 
In der Verfassung von 1871 wird ein Vertragsrecht 
der Einzelstaaten mit dem Auslande nicht erwähnt; 
in der Doktrin pflegt man es anzuerkennen für die 
Materien, auf welche sich die Kompetenz der Reichs- 
gewalt nicht erstreckt). Befugnisse des Kaisers 
kommen hierbei nur in Betracht einmal für den Fall, 
dass durch Verträge der Einzelstaaten die Sphäre der 
Gesamtheit das Recht des betreffenden Staates; das ergibt sich 
ohne weiteres aus dem Begriffe von Staat und Recht. Für die 
gültige Setzung seiner Normen kann der Staat nun natur- 
gemäss bestimmte Vorschriften aufstellen. Der moderne Staat 
tut dies, indem er für das gültige Zustandekommen der einen 
Rechtssätze die Gesetzesform vorschreibt, bezüglich anderer die 
Verordnungsforın zulässt. Das Wesen der-Gesetzesform ist aber 
im modernen Staate dieMitwirkung der Volksvertretung. Gesetz 
ist mithin die verfassungsmässig unter Mitwirkung der Volks- 
vertretung gültig zustande gekommene Vorschrift der Staats- 
gewalt, Verordnung jede ohne solche Mitwirkung gültige Vor- 
schrift. Dass die Behauptung Labandsa.a.0.5S.80, Note 1a. E., 
die von anderer Seite vertretene und begründete Auffassung 
„Rechtssatz und Verwaltungsvorschrift seien nicht Gegensätze, 
auch der Verwaltungsbefehl sei ein Rechtssatz“, bedürfe wohl 
kaum der Widerlegung, keine Lösung der grossen Streitfrage 
gibt, dürfte wohl jeder anerkennen. 
16) Laband a.a. O0. Bd. II. $ 63, S. 155 ff.
	        
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