Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

4. Behördenorganismus des Reiches. Ki 1 
diges Organ, ohne welches der Kaiser staatsrechtlich gültig gar nicht 
handeln kann. 
In der Person des Reichskanzlers vereinigen sich zwei ver- 
schiedene staatsrechtliche Stellungen desselben, die im Bundes- 
rathe und die ausserhalb des Rundesrathes. 
8 268. 
2%) Der Reichskanzler im Bundesratbe. 
Artikel 15 der Reichsverfassung sagt: »ıder Vorsitzim Bun- 
desrathe und die Leitung der Geschäfte steht dem 
Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist.« 
Indem der Kaiser jemanden zum Reichskanzler, also zu einem 
kaiserlichen Beamten ernennt, macht er ihn zugleich zum Vorsitzen- 
den im Bundesrath. Das Amt des Reichskanzlers und das des Vor- 
sitzenden im Bundesrath ist nothwendig mit einander verbunden. 
Das Recht, den Vorsitzenden zu ernennen, ist nicht ein preussisches, 
sondern ein kaiserliches Recht. Man hat deshalb wohl gemeint, 
dass der Vorsitzende gar nicht preussischer Bevollmächtigter, über- 
haupt gar nicht stimmendes Mitglied des Bundesrathes zu sein 
brauche!. Wenn sich auch der Vorsitz im Bundesrathe von der 
Mitgliedschaft trennen liesse, so können doch unzweifelhaft nur 
Bevollmächtigte der Einzelstaaten stimmberechtigte Mitglieder 
desselben sein. Da aber der Vorsitzende nach Artikel 7 bei Stimmen- 
gleichheit durch die sogenannte Präsidialstimme den Ausschlag 
zu geben hat, so muss er nothwendig Bevollmächtigter zum Bundes- 
rathe und zwar preussischer sein. Es sind daher in Einer Person 
drei amtliche Eigenschaften nothwendig mit einander verbunden, 
das Amt des Reichskanzlers, das Amt des Vorsitzenden im Bundes- 
rathe und das Amt des stimmführenden preussischen Bevollmäch- 
tigten. Die beiden ersten Aemter sind kaiserlich deutsche, das 
letztere ist königlich preussisch. Auch hier tritt die organische Ver- 
bindung zwischen deutschem Reichsrechte und preussischem Staats- 
rechte lebhaft hervor. Dagegen ist es keine staatsrechtliche 
Nothirendigkeit, dass der Reichskanzler stets zugleich auch preussi- 
scher Minister oder gar Ministerpräsident sei, wohl aber sprechen 
dafür politische Gründe, dass die höchsten Aemter im Reiche, 
t So Thudichum, Verfassunger. S. 130, So in neuester Zeit auch Gensel 
in seiner oben angeführten Schrift. Uns scheinen die Gegengründe Hänel’a 
a.0. 0. S. 27 völlig durchschlagend.
	        
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