92 1. Von den Organen des deutschen Reiches.
wie im preussischen Staate, stets in Einer lHHand vereinigt seien. da-
mit nicht Reibungen zwischen diesen beiden mächtigsten Geniein-
wesen entstehen und die unbedingt nothwendige Einheit der poli-
tischen Aktion derselben gewahrt werde.
Während somit der Vorsitz im Bundesrathe jetzt ein kaiser-
liches Recht ist, führt der Reichskanzler, als Bevollmächtigter
zum Bundesrathe, nicht die kaiserlichen, sondern die königlich
preussischen Stimmen, wie es überhaupt im Bundesrathe keine
kaiserlichen Stimmen giebt. Seine Instruktionen werden ihm vom
Könige von Preussen bezw. dem preussischen Staatsministerium er-
theilt. »Die Leitung der Geschäfte«, die ihm durch Artikel 15
zugesprochen wird, bezieht sich nur auf die Geschäfte, welche ihm
als Vorsitzender dieses Kollegiums obliegen, ebenso die ihm daselbst
beigelegte Substitutionsbefugniss: »Der Reichskanzler kann sich
durch jedes andere Mitglied des Bundesrathes vermöge schriftlicher
Substitution vertreten lassen.« Seine Befugniss zur Leitung der
übrigen Reichsgeschäfte folgt nicht aus Artikel 15, sondern aus
Artikel 17.
$ 269.
3) Der Reichskanzier ausserhalb des Bundesrathes.
Während der Reichskanzler als Bevollmächtigter zum Bundes-
rathe nicht als Reichsbeamter erscheint, ist er in seiner übrigen
Amtsthätigkeit ausserhalb des Bundesrathes Reichsbeamter und
fällt unter die Bestimmungen des Reichsbeamtengesetzes, soweit für
ihn nicht besondere Ausnahmen bestehen. Seine amtliche Stellung
gleicht der eines Ministers in einem einfachen Staate. Er ist ober-
ster und einziger Minister des Kaisers!. Seine ministe-
rielle Amtsbefugniss deckt sich vollständig mit der staatsrechtlichen
Prärogative des Kaisers. Soweit die reichsoberhauptliche Befugniss
des Kaisers reicht, erstreckt sich auch die konstitutionelle Mitwir-
kung seines einzigen Ministers; dagegen hört die Verantwortlichkeit
des Reichskanzlers auf, wo der Wundesrath selbständig vorzugehen
! Die Motive zu dem Entwurfe des Stellvertretungsgesetses von 1975 sagen:
»Die Verfassung des deutschen Reiches erfordert in Artikel 17 sur Gültigkeit der
im Namen des Reiches zu erlassenden Anordnungen und Verfügungen des Kai-
sers die Gegenzeichnung des Reichskanzlers und übernimmt der Letstere die
Verantwortlichkeit für dieselben. Verfassungsmässig ist hierdurch dem Reichs-
kanzler die Stellung des einzigen, Kaiser und Reichstag verantwortlichen Reichs-
ministers unddamit die verantwortliche Leitung aller Reichsange-
legenheiten, welchein der Regierungsgewalt des Kaisers liegen,
zugcewiesen«,