6. Von der Reichsjustis. 137
gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für
welche nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden
oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder reichsgesetzlich be-
sondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind«. Letzteres steht
nur dem Reiche zu, indem es entweder besondere Gerichte
selbst bestellt (Militärgerichte, Konsulargerichte' oder zulässt,
d. h. den Einzelstaaten erlaubt, für gewisse Streitigkeiten, anstatt
der regelmässigen durch das Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschrie-
bene Gerichte, besondere Gerichte herzustellen. Diese Befugniss
steht aber den Einzelstaaten nur in den engen, durch die Reichege-
setzgebung gezogenen Grenzen zu; $ 14 zählt auf: Rheinschiffahrts-
und Elbzollgerichte, Agrargerichte, Gemeinde- und Gewerbege-
richte.
Das ganze Bundesgebiet bildet ein einheitliches Gebiet
in Betreff der Rechtspflege, wo zwischen Inland und
Ausland nicht mehr unterschieden wird. Die norddeut-
sche Bundesverfassung Artikel 4 Nr. 11 erstreckte die Bundesge-
setzgebung nur »auf die Bestimmungen über die wechselseitige
Vollstreckung von Erkenntnissen in Civilsachen und Erledigung
von Requisitionen überhaupt«, Weiter ging das norddeutsche Gesetz
über die Gewährung der Rechtshülfe vom 21. Juni 1869 (Gesetz-
blatt S. 305 ff.), welches bereits den Grundsatz aussprach, dass alle
Gerichte des Bundesgebietes sich in bürgerlichen und peinlichen
Sachen gegenseitig Rechtshülfe zu leisten haben, ohne dass es einen
Unterschied macht, ob das ersuchende und das ersuchte Gericht
demselben Bundesstaate oder ob sie verschiedenen Bundesstaaten
angehören. Die Geltung dieses Gesetzes wurde durch Staatsverträge
auf Baden und Süd-Hessen, bei Gründung des deutschen Reiches
auf das ganze Reichsgebiet ausgedehnt. Die Bestimmungen dieses
Gesetzes sind aber, mit Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes
und der Reichsprocessgesetze, thejls überflüssig geworden, theils in
die Reichsjustizgesetze aufgenommen wurden, welche jetzt auch für
die Rechtshülfe, auf dem Gebiete der ordentlichen streitigen Ge-
richtsbarkeit, die praktisch anwendbaren Normen enthalten.
Da alle deutschen Gerichte als Glieder eines einheitlichen
Organismus gelten, so erstreckt sich die Gerichtsbarkeit jedes der-
selben auf das ganze Bundesgebiet und alle in demselben befind-
lichen Personen. Alle Urtheile, Entscheidungen und Verfügungen
eind für das ganze Reich wirksam, als wären sie von den eigenen
Landergerichten ausgegangen. Jedes deutsche Gericht kann an alle