7. Von der Verwaltung des Reiches. 151
und Verwaltungsvermögen unterscheidet, so bei der Reichsschuld
Finanzschuld und Verwaltungsschuld. Verwaltungsschul-
den zu machen, ist jede Verwaltungsbehörde, innerhalb ihres
Ressorts und ihres budgetmässigen Betriebsfonds, be-
fugt. Wie weit eine Behörde in der Aufnahme solcher Schulden
gehen kann, ohne Anfrage bei ihrer vorgesetzten Behörde, hängt
lediglich von der Dienstpragmatik, nicht von der Verfassung ab.
Den Verwaltungsschulden stehen die Finanzechulden, Staats-
schulden im eigentlichen Sinne, gegenüber; sie haben den Zweck,
dem Staate ausserordentliche Einnahmen zuzuführen, und
werden durch eine besondere finanzielle Kreditoperation bewirkt.
Zu ihrer Kontrahirung ist nur das Centralorgan der Staatsverwal-
tung berechtigt und zwar unter Zustimmung der Volksvertretung,
denn es handelt| sich hier nicht um eine Gebahrung innerhalb des
butgetmässigen Rahmens, sondern um einen ausserhalb desselben
sich vollziehenden selbständigen, ausserordentlichen Akt der Finanz-
verwaltung, welcher dem Volke neue Lasten auferlegt. Im Einklange
mit dem konstitutionellen Staatsrechte aller deutschen Einzelstaaten
($ 215 Bd. 1 S. 603) bestimmt die Reichsverfassung Artikel 73: »Im
Falle eines ausserordentlichen Bedürfnisses kann im Wege der
Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Ga-
rantie zu Lasten] des Reiches erfolgen. Diese Bestimmung bezieht
sich auf alle Finanzschulden des Reiches, mag die dazu erforderliche
Kreditoperation sich formell in dieses oder jenes Rechtsgeschäft klei-
den. Die Aufnahme einer Finanzschuld ist materiell ein Verwal-
tungsakt, formell ein Gesetz. Die Ermächtigung zur Aufnahme
wird daher von den Organen der Gesetzgebung, Bundesrath und
Reichstag, dem Kaiser, als Träger der exekutiven Gewalt, ertheilt,
welcher dann durch besonderen Erlass wieder den Reichskanzler
bevollmächtigt, Die Aufnahme einer Staatsanleihe erfolgt durch
den Abschluss privatrechtlicher Verträge mit den Staatsgläubigern,
Der Inhalt dieser Verträge wird aber nicht mit den einzelnen Gläu-
bigern vereinbart, sondern ist theile gesetzlich fixirt (so die Bestim-
mungen über Verjährung und Amortisation der Schuldurkunden,
Verjährung der Zinskoupons u. s. w.), theils findet die Feststellung
bei der Emission durch den Reichskanzler statt. Die Obligationen
sind regelmässig auf den Inhaber ausgestellt, sodass die Aufnahme
einer Staatsschuld mit der Kreation von Inhaberpapieren ver-
bunden ist. Die Schuldverbindlichkeiten des Reiches sind entweder
Darlehnsschulden oder Rentenschulden, je nachdem eine