Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

7. Von der Verwaltung des Reiches. 183 
Geiste und der Absicht der Verfassung!. 'In Preussen würde ein 
solches Verfahren auch dem Buchstaben der Verfassung Artikel 99 
widersprechen, denn dort heisst es: Der Staatshaushaltsetat wird 
jährlich durch ein Gesetz festgestellt“, Nach dem Reichsgesetze 
vöm 29. Februar 1576 beginnt das Etatsjahr mit dem 1. April und 
schliesst mit den 91. März. Wenn die Reichsausgaben in der Regel 
auch nur für ein Jahr bewilligt werden, so kann dies doch auch auf 
eine längere Zeit geschehen, z. B. bei länger dauernden Bauten; doch 
müssen die für jedes Jahr bestimmten Beträge in den Etat aufge- 
nommen werden, damit dieser eine vollständige Uebersicht über die 
Jahresfinanzwirthschaft ergiebt. Es wird unterschieden zwischen 
dem Gesetze, welches den Etat feststellt, und dem Etat selber, wel- 
cher als Anlage beigegeben wird. 
Der Etat zerfällt in den Ausgabe- und den Einnahmeetat, der 
Ausgabeetat zerfällt in fortdauernde und ausserordentliche 
Ausgaben. Die Ausgaben sind nach den Centralverwaltungsbehör- 
den, die Einnahmen nach den Einnahmequellen zusammengestellt 
und nach Kapiteln und Titeln geordnet. Der Einnahmeetat ist ein 
sogenannter Nettoetat, in welchen die Reineinnahmen, nach Ab- 
zug der Kosten, eingestellt werden. Besondere Eigenthümlichkeiten 
bietet der Militäretat. Hier kommt die Sonderstellung Bayerns 
in Betracht. Der Bündnissvertrag vom 23. November 1570 Nr. II 
bestimmt: »Bayern erhält für die Unterhaltung seines Heeres eine 
Gesammtsumme ausgeworfen, während die Aufstellung der Spe- 
cinletats nach den Grundsätzen des bayerischen Staatsrechtes er- 
folgt. Dabei können aber die gesetzgebenden Faktoren des bayeri- 
schen Staates nicht willkürlich verfahren, sondern es müssen im 
Allgemeinen diejenigen Etatssätze nach Verhältniss zur Richtschnur 
dienen, welche für das übrige Bundesheer in einzelnen Titeln aus- 
geworfen sind.« Für die übrigen Kontingente steht dem Reiche 
auch die Feststellung der Specialetats zu; dieselbe erfolgt neben- 
einander für die übrigen Staaten mit selbständiger Militärverwal- 
tung, Preussen, Sachsen und Württemberg. Unter Preussen 
sind sämmtliche ihm angegliederten Kontingente mitbegriffen. 
Sämmtliche Ausgaben des Reiches bedürfen der 
Bewilligung durch den Reichstag; doch steht die Bewilli- 
gung derselben keineswegs durchweg im freien Ermessen des 
1 Vergleiche die Verhandlungen des Reichstages vom 10. und 11. Dec. 1862. 
Laband in Marquardsen Handt. $1$. S. 205. Anm. 1.
	        
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