154 I. Yon den Funktionen der Reichsgewalt.
Reichstages, derselbe hat vielmehr zur Reichsregierung ganz dieselbe
Stellung, wie die Landtage der Einzelstaaten zur betreffenden Lan-
desregierung ı$ 206 B.IS. 567ff. Staatsrechtlich nothwendige und
nützliche Ausgaben‘. Die meisten Einnahmen des Reiches bedürfen
dagegen einer speciellen Bewilligung des Reichstages nicht. Es gilt
auch für das Reich der Satz des preussischen Staatsrechtes: »Die
bestehenden Steuern und Einnahmen werden forterhoben, bis sie
durch ein Gesetz abgeändert werden.«e Nur neue Einnahmequellen,
welche durch Einführung neuer Steuern oder durch Erhöhung
bereits bestehender Steuern und Zölle eröffnet werden sollen, be-
dürfen der Zustimmung des Reichstages. Ebenso ist die Eröffnung
ausserordentlicher Einnahmequellen durch Aufnahme von Reichs-
schulden oder durch Veräusserung von Gegenständen des Reichs-
finanzvermögens an die Zustimmung der gesetzgelenden Faktoren
gebunden. Dagegen steht die Veräusserung von Gegenständen des
Verwaltungsvermögens regelmässig den betreffenden Behörden frei,
doch stellt $ 10 des Reichsgesetzes vom 25. Mai 1873 die allgemeine
Regel auf: »Alle Einnahmen aus der Veräusserung von Grund-
stücken, Materialien, Utensilien, oder sonstigen Gegenständen, wel-
che sich im Besitze der Reichsverwaltung befinden, müssen für
jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushaltsetat gebracht
werden.«
$ 307.
VI. Kontrolle und Entlastung der Reichsfinanzverwaltung!.
Die wichtige Befugniss der gesetzgebenden Faktoren, den
Staatshaushalt vor Beginn der Finanzperiode festzustellen, er-
hält erst dadurch ihre praktische Bedeutung, dass denselben das
Recht eingeräumt wird, auch nach Ablauf derselben zu prüfen,
ob die Finanzverwaltung sich innerhalb der ihr durch den Staats-
haushaltsetat gezogenen Grenzen bewegt, ob sie denselben, als
die ihr vorgeschriebene Verwaltungsnorm, befolgt hat. In Einklang
mit allen konstitutionellen Verfassungen bestimmt Artikel 72 der
! Laband, Staatsr. B. III. Abth. 2. $ 126. S.376, Zorn, B.IL $ 33.
8.355 ff. v.Rönne, II, 1.5549. G. Meyer, Verwaltunger. $ 206. Gneist, Ge
sets und Budget 8. 162 ff. v. Martits, 8. 216 ff. Ueber die preussische Ober-
rechnungskammer vgl H. Schulze, Preussisches Staatsrecht B. II, 8. 126 fl.,
4897 ff. E. Meier, 6.v. Oberrechnungskammer im Rechtalex. II. S. 023 ff.
Eine eingehende Ahhandlung »Ueber den Rechnungshof mit hesonderer Rück-
sicht auf das ee findet eich in der Zeitschr. für die gesammte Staatew.
B. 32. 8. 479 1. B. 33. S 2