196 IL Von den Funktionen der Reichsgewalt.
Erlass der Reichsverfassung eine selbständige Postverwaltung be-
sassen, hat Oldenburg das Anstellungsrecht aus Artikel 50 auf das
Reich übertragen; in Sachsen, Baden, Mecklenburg, Braunschweig
ist die Ausübung dieses Rechtes durch besondere Verabredungen
geregelt. In den Hansestädten werden alle Post- und Telegraphen-
beamten vom Kaiser ernannt, ebenso in Elsass-Lothringen. In
Preussen fällt wenigstens thatsächlich die kaiserliche mit der könig-
lich preussischen Ernennung zusammen. Nur die vom Kaiser und
von kaiserlichen Behörden ernannten Post- und Telegraphenbeam-
ten sind unmittelbare Reichsbeamte, die von den Landesherren
ernannten Beamten sind Landesbeamte, aber dabei dem Reichsbe-
amtengesetze unterworfen, da sie nach Vorschrift der Reichsver-
fassung den Anordnungen des Kaisers Folge zu leisten verpflichtet
sind und diese Gehorsamspflicht in ihren Diensteid aufgenommen
wird (sogenannte mittelbare Reichsbeamte).
Die Einnahmen des Post- und Telegraphenwesens sind für das
Reich gemeinschaftlich. Die Ausgaben werden aus den gemein-
schaftlichen Einnahmen bestritten. Die Ueberschüse fliessen in
die Reichskasse. Artikel 19. Die in Artikel 51, bei Ueberweisung
des Ueberschusses der Pustverwaltung für allgemeine Reichszwecke,
su Gunsten der Einzelstaaten gemachten Vorbehalte sind nach Ab-
lauf der Uebergangszeit erloschen; dagegen haben, wie oben er-
wähnt, Bayern und Württemberg an den zur Reichskasse fliessendeu
Einnahmen des Post- und Telegraphenwesens keinen Antheil.
6310.
3) Speclalrechte der Post.
Die Geschäfte der Post haben an sich die Natur eines gewerb-
lichen Unternehmens; in der Hand des Staates wird die Post
zu einer öffentlichen Verkehrsanstalt. Die Grundsätze des
auf solche Geschäfte (Transport von Gütern und Personen, Beförde-
rung von Nachrichten u. s. w.) bezüglichen Privatrechtes werden
durch die des öffentlichen Rechtes wesentlich modificirt, welche der
Staat auf die von ihm gegründete und geleitete Anstalt aus höheren
staatlichen Motiven anwendet. Den Inbegriff dieser eigenthümlichen
öffentlich-rechtlichen Grundsätze bildet das Verwaltungsrecht
der Post. Soweit dieselben in dem Postrecht des deutschen Rei-
ches gesetzliche Anerkennung gefunden haben, finden sie hier eine
kurze Erwähnung: