9. Das Kriegswesen des Reiches. 337
obersten Gewalt zustehen. Der Oberbefehl über das Heer ist ein
eminent monarchisches Recht, welches nicht mit anderen Organen
getheilt werden kann. Wer die Verfügung über das Heer zu Kriegs-
zwecken hat, wem die Armee in Kriegszeiten zu unbedingtem Ge-
horsam verpflichtet ist, ist der Kriegsherr derselben. DieKriegs-
herrlichkeit ist von dem jus belli verschieden. Erstere ist eine
Macht des Befehles über eine unbedingt gehorchende, einheitlich
organisirte Menschenmasse, letzteres ist eine völkerrechtliche Be-
fugniss anderen Staaten gegenüber, welche darin besteht, ihnen den
Krieg erklären und dadurch den Kriegszustand herbeiführen zu kön-
nen. Da aber nur der mit Erfolg und Nachdruck Krieg erklären
kann, welcher über die Kriegsmacht seines Staates unbedingt verfü-
gen kann, so müssen beide Befugnisse stets in Einer Hand vereinigt
sein. Die oberste Entscheidung in auswärtigen Angele-
genheiten, besonders des jus belli, muss mit der Kriegs-
herrlichkeit verbunden sein. Ist das Heer in seiner kriege-
rischen Aktion niemals durch Verfassung und Gesetz, sondern
nur durch den Befehl seines Kriegsherrn bestimmt, eo ist das lleer-
wesen, bei allen civilisirten Völkern, dagegen ein wichtiger Gegen-
stand der Verfassung, Gesetzgebung und Verwaltung, d.h. die Be-
dingungen und Voraussetzungen der Zusammensetzung des Ileeres,
besonders die Pflichten der Bürger in Betreff der persönlichen Wehr-
pflicht, wie der sachlichen Leistungen für die Armee, die Stellung
des llecres in der Rechtsordnung des Staates müssen durch Verfas-
sung und Gesetz geregelt sein. Die Verwaltung des Ileerwesens
muss die gesetzlichen Schranken achten und muss innerhalb des mit
der Volksvertretung vereinbarten Budgets sich bewegen. Für die
verfassungsmässige, gesetzliche und budgetmässige Verwaltung des
Heerwesens ist der Kriegsminister der Volksvertretung ebenso
verantwortlich, wie jeder andere Minister für seine Verwaltung.
Darum ist ein Kriegsministerium in der konstitutionellen Staatsord-
nung unentbehrlich. Aber das Kriegsministerium hat es nur mit
der Heeresverwaltung zu thun, nicht mit dem Oberbefehl über
das Heer. Wo dieser beginnt, hört die Verantwortlichkeit des
Kriegsministers auf und tritt das persönliche Recht des Kriegsherrn
ein, dessen Armeebefehle keiner Kontrasignatur bedürfen.
Mit Recht haben die älteren und neueren Staatsrechtslehrer das
Kriegswesen, meist unter dem Namen der Militärhoheit, alseinen
hti Abschnittder St i haft behandelt, sich aber
selbstverständlich auf die Verfassung und Verwaltung des Heeres