Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

9. Das Kriegswesen des Reiches. 239 
dies nur auf Um- und Irrwegen geschehen, welche einer kurzen ge- 
schichtlichen Darstellung bedürfen. 
I. Gesohiohtliche Entwickelung des deutschen Kriegswesens!, 
$ 324. 
l) Die Zeit den Hoerbanns oder das Volk in Waffen. 
Das germanische leer der ältesten Zeit war »das Volk in Waf- 
fene. Alle freien waffenfähigen Männer waren zum Kriegsdienste 
verpflichtet. Dieses Gesammtaufgebot war nicht nur zu Vertheidi- 
gungs-, sondern auch zu Angriffskriegen verpflichtet, welche die 
Volkegemeinde beschlossen hatte. Das Volksheer zerfiel in Abtlei- 
lungen von je hundert Mann; die Streiter standen familienweise bei 
einander. Neben diesem allgemeinen Kriegsdienste gab es noch 
einen besonderen im Gefolge der Gaufürsten, der auf freiwilligem 
Eintritt beruhte. Das Gefolge "comitstus« wurde durch Auswahl 
des Gefolgeherrn gebildet; es war ihm »in pace decus, in bello prae- 
sıdiume?. 
Auch im Frankenreiche Instete die Wehrpflicht auf allen Freien, 
ohne Unterschied der Nation, nicht bloss auf den Grundbesitzern, 
wie dies von P. Roth gegen G. Waitz dargethan ist’; sie war 
lediglich begründet im Unterthanenverbande. Der von allen Freien 
geforderte Treueid (Lindesamio) enthielt auch das Versprechen, dem 
Heeresaufgebot, so oft es erging, Folge zu leisten. Der König ver- 
fügte frei über alle Wehrpflichtigen, ohne in dieser Beziehung ver- 
fassungsmässig beschränkt zu sein. Wer im einzelnen Falle und 
unter welchen Voraussetzungen jemand auszuziehen hatte, bestimmte 
nicht ein Gesetz, sondern eine königliche Verordnung für jeden ein- 
zelnen Fall. Auch die Kapitularien Karls des Grossen von 802, 807 
und 811 enthalten, wie Boretius (Die Wehrpflicht unter den Ke- 
rolingern, in seinen Beiträgen zur Kapitularienkritik $. 71 f.) nach- 
gewiesen hat, nicht eine gesetzliche Ordnung der Wehrpflicht, son- 
dern ebenfalls nur vorübergehende Verordnungen. Da die Leistung 
der Wehrpflicht von der Leistungsfühigkeit des Einzelnen abhing, 
1G,A. Stenzel, Versuch einer Geschichte der Kriegsverfassung Deutsch- 
lands. Berlin 1920. General v. Peucker, Das deutsche Kriegswesen der Urzeit. 
3 Thle. Berlin 1860.64. G. Waits, Verfassungsgeschichte in verschiedenen 
Bänden, 
2 Brockhaus, De comitatu Germaniae 1863. Waits, 1. 8. 227 und 262 ff. 
3 Waitz, Verfassungsgeschichte 11. 520 ff, IV. 449 ff. P. Roth, Geschichte 
des Beneficialwesens 8. 169 ff. 392 fl,
	        
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