Vom deutschen Reiche überhaupt. 17
neuen Vertragsschlusses unter allen Einzelstaaten; sie ist nichts als
eine Verfassungsänderung und kann durch ein verfassungsändern-
des Gesetz bewirkt werden. Thatsächlich ist das Zustandekom-
men eincs solchen durch Artikel 78 schr erschwert, indem schon 14
Stimmen im Bundesrathe dasselbe unmöglich machen können,
juristisch bleibt es aber doch ein Akt der Reichsgesetzgebung, zu
welchem der Wille der gesetzgebenden Faktoren der Reichsgewalt
ausreicht, zu welchem keine Zustimmung eines oder aller Einzel-
staaten erforderlich ist. Nur für die Aufhebung oder Abünderung
der sogen. Sonderrechte tritt zu dem Veto der 14 Stimmen in Bun-
desruthe noch ein weiteres erschwerendes Moment, die Zustimmung
des berechtigten Staates. Auch hier findet die Aufhebung des Son-
derrechtes in Form der Gesetzgebung statt, nur dass zwei er-
schwerende Momente hinzutreten: a) die verfassungsinässige Mehr-
heit im Bundesrathe, b) die Zustimmung des betreffenden Staat ,
dessen Sonderrecht abgeändert oder aufgehoben wexden soll. Letz-
tere Vorschrift hat einen durchaus singulären Charakter; sie darf
nicht, wie das von Laband geschieht, als ein selbstverstündliches
Princip aufgefasst und über den Wortlaut hinaus ausgedehnt wer-
den. Singulär ist diese Vorschrift, weil sie mit dem Geiste der
Reichsverfassung, d. h. mit dem staatlichen Charakter des Reiches
und seinem souveränen Gresetzgebungsrecht, in Widerspruch steht.
Analogien aus dem älteren deutschen Reichsstaatsrechte sind hier
unbrauchbar, weil hier, in mittelaltriger Weise, privatrechtliche
Momente in das Staatsrecht hereinspielten, ebensowenig darf aus
dera deutschen Bundesrechte deducirt werden, dass ein solcher Satz
selbstverständlich sei, weil der deutsche Bund ein Gesellschaftsrer-
hältniss souveräner, gleichberechtigter Staaten war, wo bei jeder
Verfassungsänderung der Satz »ınelior est condicio prohibentis« zur
Geltung kam; am wenigsten aber darf aus dem privatrechtlichen
Korporationsbegriff irgend eine Folgerung für die Allgemeingültig-
keit eines solchen Princips gezogen werden.
Diese Vorschrift darf aber auch nicht, wie dies von G. Meyer
und Zorn geschicht, gegen den Wortlaut allzusehr beschränkt wer-
den; sie muss vielmehr nach einer richtigen grammatischen Aus-
legung auf alle diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung er-
streckt werden, »durch welche bestimmte Rechte einzelner Bundes-
staaten in dem Verhältnisse zur Gesammtheit festgestellt sind«. Es
ist kein Grund vorhanden, warum diese Vorschrift nicht auch der
ersten Klasse von Sonderrechten zu Gute kommen sollte, wodurch
Schulze, Deutsches Btaaterscht. 11. 2