Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

266 Il. Von den Funktionen der Reichsgewalt. 
Kaisers als organischer Begriff erfassen. Die den Einzelstaaten noch 
belassenen Befugnisse haben dagegen keinen nothwendigen inneren 
Zusammenhang, sondern sind nur das Aggregat verschiedenartiger 
Befugnisse, welche man mehr aus geschicl ‚als 
aus einer inneren Nothwendigkeit erklären kann. (So richtig gegen 
Laband: G. Meyer in Hirth’s Annalen 1880 und Zorn B.I1S.315, 
welcher diese Rechte als »disjecta membra der den Einzelstaaten 
verbliebenen Rechte« bezeichnet). Vor allem bedenklich erscheint 
es, dass Laband die Kontingentsherrlichkeit, kurzweg als militä- 
rische Dienstherrlichkeit auffasst. Nach Laband ist der Kon- 
tingentsherr der Dienstherr seines Kontingents, nicht der Kaiser. 
Diese Auffassung widerspricht den obersten Grundsätzen der deut- 
schen Militärverfassung. Dass der Dienst dem Reiche, nicht dem 
Einzelstaate geleistet wird, geht aus folgenden unbestreitbaren Sätzen 
hervor: 
1) Kein deutscher Einzelstaat ist berechtigt, auf eigene Hand 
Krieg zu führen. Zweck der Armee ist aber wesentlich kriegerische 
Aktion, zu der nur das Reich berechtigt ist. Kein Einzelstaat ist 
daher jemals in der Lage, den Dienst seines Kontingents für sich 
gebrauchen zu können. Ein Dienst, den man aber für seine eigenen 
Zwecke nicht verwerthen kann, ist inhaltslos. Das materiell Ent- 
scheidende ist der Oberbefehl zu Kriegszwecken mit der 
enteprechenden unbedingten Gehorsamspflicht der 
Truppe. Wer diesen hat, ist der eigentliche Dienst- 
herr der Armee. Eine Truppe, die einem anderen unbedingt zu 
gehorchen hätte, als ihrem Dienstherrn, stünde in einem wider- 
spruchsvollen Verhältnisse, welches nicht anzunehmen ist. 
2) Dass der Militärdienst nicht Unterthanenpflicht der Staats- 
angehörigen gegen den Einzelstaat, sondern der Reichsangehörigen 
gegen das Reich ist, geht aus folgenden speciellen Bestimmungen 
hervor!. 
a) Jeder Militärpflichtige ist in dem Aushebungsbezirke, in wel- 
chem er seinen dauernden Aufenthalt oder, in Ermangelung eines 
solchen, seinen Wohnsitz hat, gestellungspflichtig (Reichsmilitär- 
  
% Ich berichtige hier einen von mir früher (B. I S. 362; gebrauchten Aus- 
druck. Dort heisst es: »Diese vom Reiche geordnete Wehrpflicht wirdzunächst 
dem Einzelstaat geleistete. Ich wollte damit sagen, dass der Einzelstaat gewisser- 
maassen das Medium sei, durch welches der eigentlich dem Reiche zu leistende 
Dienst vermittelt werde. "Ein tieferes Eindringen in den Geist unserer Militärver- 
fassung bestimmt mich indessen, auch diesen wenigstens zweideutigen Ausdruck 
hiermit surückzunehmen.
	        
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