Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

274 IL Von den Funktionen der Reichsgewalt. 
vom Beginne der Mobilisirung an, unter Oberbefehl des Kaisers-. 
Eine geringere, jedoch ebenfalls über das Maass der Reichsverfas- 
sung hinausgehende Selbständigkeit geniesst Württe mberg. Auch 
seine Rechte sind als Sonderrechte reich 
Das Königreich Sachsen besitzt ein selbständiges Kontingent: die 
Rechte der Kontingentsherrn, die Beschränkungen des Bundesfeld- 
herrn halten sich innerhalb des Rahmens der Verfassung. haben 
aber auch keine reichsgesetzliche Garantie nach Artikel 78 Absatz 2. 
Sachsen besitzt im streng staatarechtlichen Sinne keine Sonderrechte. 
Alle übrigen Staaten haben Militärkonventionen mit Preussen ge- 
schlossen, wodurch die reichsverfassungsmässigen Befugnisse des 
Kontingentsherrn beschränkt oder ganz an Preussen abgetreten sind. 
Als Gegenleistung legt sich dafür der Bundesfeldherr gewisse Be- 
schränkungen auf, denen er nach Reichsrecht nicht unterworfen 
ist, z. B. in Betreff seines Dislokationsrechtes. Alle diese Kontin- 
gente sind Bestandtheile des preussischen Armeeverbandes; am wei- 
testen geht der Verlust jeder militärischen Selbständigkeit bei den 
Staaten, welche gar keine eigenen Kontingente mehr haben. Unter 
den Staaten, welche Militärkonventionen geschlossen haben, bilden 
Bayern auf der einen Seite, Lippe, Waldeck, die Hansestädte auf 
der anderen Seite das Extrem; dort das Maximum militärischer 
Selbständigkeit, hier das Minimum derselben. Der einzige Staat, mit 
welchem keine Konvention abgeschlossen ist, ist Braunschweig, 
es sind aber die braunschweigischen Truppen in die entsprechenden 
taktischen Verbände des preussischen Heeres aufgenommen und 
den preussischen Kommandobehörden unterstellt worden, auch ist 
das braunschweigische Kontingent ganz in die finanzielle Verwal- 
tung und Abrechnung des preussischen Heeres eingetreten (Militär- 
gesetze I S. 61). Jedenfalls gehen die Militärverhältnisse dieses 
Herzogthums jetzt einer Neuordnung entgegen. Trotz dieses Parti- 
kularismus in unserem Militärrecht ist doch im Grossen und Gan- 
zen die Einheitlichkeit des deutschen Kriegsheeres genügend ge- 
wahrt durch eine einheitliche Reichsgesetzgebung und vor allem 
durch den kaiserlichen Oberbefehl, welchem alle deutschen Trup- 
pentheile, wenigstens in Kriegszeiten, unbedingt Folge zu leisten 
eidlich verpflichtet werden. Mögen einzelne Kontingentsherrn noch 
so reichlich mit gewissen militärhoheitlichen Rechten ausgestattet 
sein, der Kaiser ist und bleibt dennoch oberster Kriegsherr aller 
deutschen Truppen, das deutsche Heer eine einheitliche Reichs- 
armee. 
 
	        
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