9. Das Kriegswesen des Reiches. 285
schen Reiches, noch auch zu Zeiten des deutschen Bundes. Die
genialen Kolonial- und Flottenpläne des grossen Kurfürsten wur-
den von seinen Nachfolgern wieder aufgegeben. Die im Jahre 1848
von der provisorischen Reichsgewalt mit grossen nationalen Opfern
geschaffene deutsche Kriegsflotte wurde von dem wiederhergestell-
ten Bunde alsbald unter den Hammer gebracht. Dagegen wurde in
Preussen eine Flotte begründet, zunächst zur Vertheidigung der
Ostseeküste, dann im grösseren Stile seit Erwerbung des Jahdebu-
sens im Jahre 1853, wodurch Preussen zuerst Fuss an der Nordsee
fasste, Mit dem Jahre 1867 ging die preussische Marine auf den
norddeutschen Bund über. Da hier jede Anknüpfung an bestehende
Verhältnisse fehlte, so konnte hier das Einheitsprincip viel folge-
richtiger durchgeführt werden, wie beim Landheere. Die deut-
sche Kriegsflotte kennt keine Kontingente, sondern
ist ganz wie die Seemacht eines Einheitsstaates orga-
nisirt. Auch die Verwaltung derselben ist lediglich
Reichssache, ohne jede Mitbetheiligung der Einzel-
staaten.
Während die Verhältnisse der Landmacht bereits durch eine
eingehende Gesetzgebung geregelt sind, fehlt es für die Marine fast
noch an jeder gesetzlichen Bestimmung. Ausser den einschlagen-
den Artikeln der Reichsverfassung findet der kaiserliche Oberbe-
fehl in seinen Verfügungen nur eine Schranke im Etatsgesetze.
Weder der Stand an Kriegsschiffen, noch der Personalstand ist ge-
setzlich festgestellt. Für den Stand an Kriegsschiffen ist der Flot-
tengründungsplan von 1873 maassgebend, durch welchen der nord-
deutsche Flottengründungsplan von 1869 ersetzt wurde (Annalen
1869 S. 194. Daselbst Seydel 1875 S. 1429). Die gesammte Ma-
rine wird in zwei Marinestationen eingetheilt, die Station der Ostsee
‚Kiel) und die der Nordsee (Wilhelmshaven). An der Spitze jeder
Station steht ein Contreadmiral. Diese beiden Stationsorte sind
zugleich Kriegshäfen, welche sowohl zur Küstenvertheidigung,
wie zur Unterstützung der Kriegsoperationen der Marine bestimmt
sind. Durch das Gesetz über die Reichskriegshäfen vom 19. Juni
1683 sind die Grenzen derselben, sowie die Befugnisse der Stations-
chefs reichsgesetzlich festgestellt. Jeder Station ist eine Ma-
trosendivision zugewiesen, aus welcher die in Dienst zu stellenden
B.1. S. 340. G. Meyer, Verwaltungsrecht B. U. $ 205. 8,66. Bütow, Die
kaiserlich deutsche Marine in Organisation, Kommando und Verwaltung. Berlin
16791882.