Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

10. Die auswärtigen Angelegenheiten. 341 
Bei der schutzlosen Stellung der Fremden im Mittelalter konnte der 
Handel im Auslande nur dadurch die nothwendige Sicherheit er- 
halten, dass man an den wichtigsten See- und Handelsplätzen des 
Auslandes Niederlassungen mit korporativen Rechten errichten 
durfte und eine eigene Gerichtsbarkeit für seine Nationalen gewann. 
Zur Zeit der Kreuzzüge gelang es den grossen italienischen Repu- 
bliken, Venedig, Genua, Pisa, Amalfi, solche Privilegien im Orient 
eingeräumt zu erhalten. So wurden die Konsuln aus heimischen 
Handelerichtern in den Hafenplätzen der Levante Richter in allen 
Handels-, Civil- und Strafsachen für ihre Nationalen. Allmählich er- 
weiterte sich der Wirkungskreis der Konsuln, sie blieben nicht bloss 
die Richter ihrer Landsleute, sondern wurden zugleich als Vertreter 
der Regierungen ihrer Staaten oder Städte anerkannt. l3esonders 
organisch ausgebildet und grossartig entwickelt war das Koneulat- 
wesen der Venetianer und Genuesen in den Staaten der Kreuz- 
fahrer, in dem byzantinischen Kaiserreiche, unter den Tartaren auf 
der Krimm. Auch nach dem Untergange des griechischen Reiches 
suchte man durch Verträge mit den muselmännischen Ilerrschern, 
sogenannte Kapitulationen, sich solche eigene, durch Konsuln 
gepflegte Gerichtsbarkeit zu erhalten. Aehnliche Einrichtungen 
wurden dann auch auf die anderen See- und Handelsplätze der 
damaligen Verkehrswelt übertragen, besonders auf die der Nord- 
und Ostsee; so hatten daselbet die Hansestädte ihre selbständigen 
genossenschaftlichen Faktoreien und die Gerichtsbarkeit ihrer Alder- 
männer in denselben. Diese bildeten, ebenso wie die Niederlassun- 
gen in der Levante, gewissermaassen exterritoriale Bezirke. Mit der 
Ausbildung der modernen Staatsgewalt musste aber eine so weit um 
sich greifende fremde Gerichtsbarkeit ebenso unverträglich erschei- 
nen, wie die exterritoriale Unabhängigkeit der fremden Handels- 
etablissements. So wurde etwa seit dem XVI. Jahrhundert die Ge- 
richtsbarkeit der Konsuln in den christlich europäischen Staaten 
ebenso beseitigt, wie die korporative Geschlossenheit der fremden 
Faktoreien. Da in dieser Zeit auch die ständigen Gesandtschaften 
aufkamen, welche ihren Staat und dessen Herrscher, als solchen, 
im Auslande vertreten, so verloren die Konsuln die voruchmsten 
Befugnisse ihrer früheren Zuständigkeit und wurden immer mehr 
blosse Agenten füreinzelne Handelsplätze, welche sich der Interessen 
ihrer Nationalen im Auslande anzunehmen, besonders den Kauf- 
leuten und Schiffern ihrer Nation Beistand zu leisten haben. In 
dieser Weise hatte sich das Institut im vorigen Jahrhundert festge-
	        
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