350 II. Von den Funktionen der Reichsgewalt.
wohnenden oder sich aufhaltenden Reichsangehörigen oderSchutz-
genossen.!
Was das in den Konsularbezirken anzuwendende materielle
Recht betrifft, so ist anzunehmen, dass in den Konsulargerichtsbe-
zirken in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Reichsgesetze, das
preussische Allgemeine Landrecht und die das bürgerliche Recht
betreffenden allgemeinen Gesetze derjenigen preussischen Landes-
theile, in welchen das Allgemeine Landrecht Gesetzeskraft hat, gel-
ten. In Handelssachen kommt zunächst das in den Konsular-
gerichtsbezirken geltende Handelsgewohnheitsrecht zur Geltung.
$ 3. In Betreff des Strafrecht ist anzunehmen, dass das Strafge-
setzbuch für das deutsche Reich und die sonstigen Strafbestimmun-
gen der Reichsgesetze gelten. $ 4. Der Konsul kann polizeiliche
Vorschriften erlassen und ihre Uebertretung mit Geldbusse bis zu
150 Mark bedrohen.
Die Konsulargerichtsbarkeit wird entweder durch den Konsul
als Einzelrichter oder durch das aus dem Konsul und zwei resp.
vier Beisitzern bestehende Konsulargericht ausgeübt. Im All-
gemeinen tritt an die Stelle des inländischen Amtsrichters der Kon-
sul: in denjenigen Sachen, in welchen das Schöffengericht oder das
Landgericht in erster Instanz zuständig ist, fällt die Entscheidung
! Schutzgenossen sind Personen, welche die deutsche Staatanngehöng-
keit nicht besitzen, deren Staaten aber durch Verträge der deutsche Konss]
schutz zugesichert wurde; in diesem Verhältnisse stehen sum deutschen
Oesterreich-Ungam, die Schweiz und Luxemburg. (Königa.a. 0.8.13. Ver-
ordn. des Reichskanslers vom 1. Mai 1672 über den Konsularschuts in der Türkei
und den ostasiatischen Staaten (bei König 8. 4:0). Dazu kommen noch in den
Stanten des Orients die sogenannten de facto Unterthanen, d. h. Personen,
welche, ohne ein bestimmtes Anrecht auf den deutschen Schutz zu haben, densel-
ben vergünstigungsweise erhalten. Als de facto Unterthanen können den deut
schen Schutz erlangen: a) Personen, welche eine der zum deutschen Reiehe ge
hörigen Stasten angehört haben, desgleichen Abkömmlinge solcher Personen;
b) Deutsche, welche den Schutz nicht auf Grund von Staatsverträgen in Anspruch
nehmen können ; c)die]ragomans, Kawassen, Jassakdschis und sonstigen Unter
beamten der Gesandtschaften und Konsularbehörden ; d) Familien der unter Nr. 3
bezeichneten Personen, desgleichen Individuen, welche ein solches Amt bekleidet
haben. (Instr. vom 1.Me&i 167283. König 8.470). Rechtssachen zwischen Deut-
schen und Türken gehören vor die Landesgerichte, jedoch brauchen Deutsche vor
solchen nur unter Assistens eines Konsuls oder Konsularagenten (regelmässig
fungirt als soleher ein J)ragoman; sich einzulassen. F. Martensa.a. 0.8.19,
193, Brauer S. 124 f. Ueber die Kompetenz bei Reohtsstreitigkeiten zwischen
deutschen und fremden Staatsangehörigen enthält die Kapitulation keine Bestim
mung. Die Praxis befolgt entweder den Grundsatz ractor sequitur forum reis ge
mäss alten Herkommens oder es werden sogenannte Kommissionagerichte gebil-
det. Brauer. 121. Martens S.368 . Zorna.a.0.8.4