11. Elsaas-Lothringen. 367
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2) Boichsgasetze und Landesgesetze In Elsass-Lethringen.
Allerdings kann man auch in Elsass-Lothringen solche Gesetze
unterscheiden, welche nach den Grundsätzen der Reichsverfassung
zur allgemeinen Zuständigkeit der Reichsgewalt, und solche, welche
grundsätzlich in die Sphäre der Einzelstaaten gehören. Gegen-
ständlich ist dieser Unterschied auch für Elsass-Lothringen vor-
handen; es werden für dasselbe Gesetze erlassen, welche zur allge-
meinen Zuständigkeit des Reiches gehören, z. B. über Militär-,
Zoll-, Handelswesen; es bedarf aber auch solcher Gesetze, welche für
die Einzelstaaten auf dem Wege der Landesgesetzgebung zu erlassen
sind, z. B. Gesetze über Unterrichtswesen, Polizei, landwirthschaft-
liche Verhältnisse u.s. w. Letztere Gesetze werden auch für Elsass-
Lothringen zur »Landesgesetzgebung«, »zur inneren Gesetzgebung:
gerechnet, aber für beide Arten von Gesetzen ist die Reichsgewalt
dieselbe Quelle. Auch die sogenannten Landesgesetze ruhen auf
der gesetzgeberischen Autorität des Reiches, wenn das Reich fekul-
tativ auch einen andern Weg der Entstehung zugelassen hat. Alle
für Elsass-Lothringen erlassenen Gesetze sind Reichsgesetze, mag
ihr Gegenstand grundsätzlich auch in den Bereich der Einzelstaaten
gehören. Es sind diese sogenannten Landesgesetze örtliche
Reichsgesetze im Gegensatz zu den allgemeinen Reichsgesetzen.
In Elsass-Lothringen bestehen gegenwärtig folgende Formen
der Gesetzgebung neben einander. Elsass-Lothringische Landes-
gesetze entstehen: 1) durch Erlass des Kaisers mit Zustimmung des
Bundesrathes und des Landesausschusses; diese Form wird als die
regelmässige der Landesgesetzgebung bezeichnet. Hier erscheint
der Kaiser als der eigentliche Gesetzgeber, Bundesrath und Landes-
ausschuss nur als mitwirkende konstitutionelle Organe. Dem Kaiser
steht die Sanktion zu, welcher in voller Freiheit darüber entscheidet,
ob ein vom Bundesrath und Landesausschuss genehmigter Gesetz-
entwurf zum Gesetze erhoben werden soll; 2) auf dem regelmässigen
Wege der Reichsgesetzgebung, wo die Uebereinstimmung von Bun-
desrath und Reichstag ausreicht und eine besondere Sanktion des
Kaisers nicht mehr erforderlich ist; 3) durch Erlass des Kaisers mit
Zustimmung des Bundesrathes. Dies sind die oben erwähnten
Verordnungen mit provisorischer Gesetzeskraft. Ueber
die verfassuugsmässigen Voraussetzungen solcher Verordnungen ist
bereits oben die Rede gewesen.