Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

386 1I. Von den Funktionen der Reichsgewalt. 
Dienstes abzugeben, insoweit das Interesse des Bezirkes dabei im 
Spiele ist. Obgleich die Befugnisse der Bezirkstage bis jetzt ziem- 
lich untergeordneter Natur sind, so ist doch nicht zu verkennen, 
dass in ihnen ein Keim zur Entwickelung gesunder Selbstverwal- 
tung liegt. 
$ 388. 
Die Kreise. 
Die Kreise, welche an die Stelle der ehemaligen Arrondisse- 
ments getreten sind, haben nur die Bedeutung staatlicher Verwal- 
tungsbezirke und unterscheiden sich dadurch wesentlich von den 
Bezirken, welche zugleich Kommunalverbände sind. Der Verwal- 
tung eines Kreises stelıt ein Kreisdirektor vor, welchem das erfor- 
derliche Hülfspersonal beigegeben ist. Die Kreisdirektoren üben 
die Befugnisse aus, welche durch die bestehenden Gesetze den 
Unterpräfekten übertragen sind. Während nach der Gesetzgebung 
der deutschen Staaten der Kreis- oder Bezirksbeamte (Landratlı, 
Bezirksamtmann) die gesammte Verwaltung zu führen hat, 
soweit nicht die Zuständigkeit anderer Behörden begründet ist, be- 
steht in dem französischen Verwaltungsrecht der entgegengesetzte 
Grundsatz, dass der Unterpräfekt nur in denjenigen Angelegen- 
heiten zu selbständigen Verfügungen zuständig ist, welche ihm aus- 
drücklieh überwiesen sind. Nach franzüsischem Verwaltungsrecht 
ist der Präfekt »sseul chargt de l’administration«, der Unterpräfekt nur 
»un agent de transmission, d’information und de surveillancer ‘darum 
auch wohl »boite aux lettres« genannt,. Das Gesetz vom 30. December 
1871 ermächtigt den Reichskanzler, den Kreisdirektoren Befugnisse 
zu übertragen, welche das Gesetz gegenwärtig deu Bezirksbehörden 
zuweist. Auf Grund dieser Ermächtigung hat der Reichskanzler die 
Zuständigkeit der Kreisdirektoren erweitert und ihre Stellung der 
eines preussischen Landrathes genähert (Loening a. a. O. S. 106). 
Obgleich die Kreise, trotz eines dahingehenden Antrages, bis jetzt 
noch nicht zu Kommunalverbänden erhoben sınd, so haben sie doch 
ihre Vertretung in den Kreistagen, deren Zuständigkeit freilich 
eine sehr geringfügige ist. Dieselben gehen gleich den Bezirkstagen 
aus allgemeinen Wahlen hervor. Eine Entscheidung steht ihnen 
aber nur bezüglich der Vertheilung der direkten Steuern unter die 
Gemeinden zu, ausserdem sind sie berufen, in einer Reihe von An- 
gelegenheiten ihr Gutachten abzugeben, namentlich über Vieinal-
	        
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