36 I. Von den Organen des deutschen Reiches.
& sich hier nicht um das Bundespräsidium, sondern um das Präsi-
dium im Bundesrath, das Bundesrathspräsidium handelt (Hänel,
Organis. EntwickelungS.29 gegen Laband). Eine neue staats-
rechtliche Institution ist durch die Annahme der Kai-
serwürde nicht geschaffen. In dem Schreiben des Königs von
Bayern wurde ausdrücklich ausgesprochen, »dass die dem Bundes-
präsidium nach der Verfassung zustehenden Rechte, durch Wieder-
berstellung eines deutschen Reiches und der deutschen Kaiser-
würde, ale Rechte bezeichnet werden sollten, welche, im Namen des
gesammten deutschen Vaterlandes, auf Grund der Einigung seiner
Fürsten, ausgeübt werden.« Aus den Erklärungen, welche bei Ueber-
tragung und Annahme der Kaiserwürde stattfanden, aus den parla-
mentarischen Verhandlungen bei der Redaktion der jetzigen Reichs-
verfassung, aus dem Artikel 11 Absatz 1 derselben geht hervor, dass
man das Kaiserthum und das bisherige Bundespräsidium als iden-
tische Institution betrachtete. Nur muss man hinzufügen, dass
erst durch Annahme bez. Wiederherstellung der Kaiserwürde der
reichsoberhauptliche Charakter, welcher schon in der nord-
deutschen Bundesverfassung dem Könige von Preussen zustand,
zum adäquaten Ausdruck gelangt ist.
In allen Erklärungen und Aktenstücken wurde die Errichtung
des Kaiserthums als eine Wiederherstellung der älteren Kaiser-
würde, als eine »Erneuerung der seit mehr als sechzig Jah-
ren ruhenden Kaiserwürder bezeichnet. So gewichtige Worte
von höchster Stelle darf man nicht bloss als gleichgültige Redens-
arten behandeln. Eine unmittelbare staatsrechtliche Kontinuität
zwischen dem alten und dem neuen Reiche ist allerdings ebenso-
wenig anzunehmen, wie zwischen der alten und der neuen Kaiser-
würde, Die Zeit von 1806 bis 1871 ist nicht bloss ein einfaches
Interregnum gewesen. Die Verschiedenheit zwischen den beiden
Kaiserwürden springt klar in die Augen. Die alte Kaiserkrone war,
wenigstens seit dem 13. Jahrhundert, eine reine Wahlkrone, die
neue ist untrennbar mit der preussischen Königskrone verbunden
und damit wenigstens indirekt für erblich erklärt; die alte hatte
wenigstens nominell einen kosmopolitischen und kirchlichen Cha-
rakter, die neue ist rein national ohne jeden Anspruch auf Ober-
herrschaft über andere Völker, ebenso ist sie rein weltlich ohne
allen Zusammenhang mit der römischen Kirche. Dennoch ist ein
enger geschichtlicher Zusammenhang zwischen beiden Würden
nicht zu verkennen. Ohne die grossen Erinnerungen, welche sich