Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

38 I. Von den Organen des deutschen Reiches, 
dene Formel »von Gottes Gnaden« (S. 194), welche sich kein 
noch so hoch stehender republikanischer Magistrat, kein Mandatar 
einer andern Macht beilegen kann. Mit dieser selbständigen Stel- 
lung des Kaisers hängt auch seine allgemein anerkannte Unver- 
antwortlichkeit zusammen, welche durch die Verantwortlichkeit 
des Reichskanzlers gedeckt wird. In dieser Beziehung steht er ganz 
wie ein konstitutioneller Monarch in einem deutschen Einzelstaat 
da (S. 187 ff. $ 83). In gleicher Weise geniesst er einen erhöhten 
Rechtsschutz im ganzen Reichsgebiet. Er ist darin dem Landes- 
herrn des eignen Staates völlig gleichgestellt. Hochverrath und 
Majestätsbeleidigung sind aber nur gegen ein monarchisches 
Staatsoberhaupt denkbar. 
2) Die deutsche Kaiserkrone ist untrennbar mit 
der preussischen Königskrone verbunden. Es ist dies 
nicht bloss eine zufällige Personalunion, wie sie ehedem zwischen 
der Kaiserkrone und den vielen Erbkronen des Hauses Oesterreich 
{von 1804—1806 auch zwischen der deutschen und der neuen öster- 
reichischen Kaiserkrone) stattfand, sondern eine verfassungs- 
mässige Realunion der deutschen und der preussi- 
schen Krone. Auf eine solche ist die ganze Reichsverfassung 
angelegt. Die Kaiserwürde mit allen ihren Attributen wäre ein eitler 
Schemen, wenn sie sich nicht durchweg auf die reale Macht des 
preussischen Staates stützte, wenn der König von Preussen nicht mit 
seinen Machtmitteln stets dem deutschen Kaiser zu Hülfe kommen 
könnte. In wichtigen Beziehungen stützt sich der Kaiser auf die 
Befugnisse, welche dem Könige von Preussen als Bundesglied 
zustehen. Ohne die 17 Stimmen, welche Preussen im Bundesrathe 
hat, wäre die Stellung des Kaisers unhaltbar. Der preussische Staat 
ist nicht bloss ein einfacher Mitgliedstaat, sondernder Hegemonie- 
staat des deutschen Reichen. Es ist ein Recht des preussi- 
schen Staates, dass sein König stets zugleich deutscher 
Kaiser sei. Obgleich die deutsche Kaiserwürde im Gegensatz der 
früheren Wahlkrone erblich ist, eo enthält die deutsche Reichsver- 
fassung doch kein Wort über die Thronfolge, was sonst in keiner 
Verfassung einer Erbmouarchie fehlen darf. Es ist dies aber keine 
Lücke der Reichsverfassung, sondern eine nothwendige Konsequenz 
der Stellung der deutschen Kaiserkrone zur preussischen Königs- 
krone. Wer preussischer König ist, ist von Rechts- 
wegen deutscher Kaiser. Die Bestimmungen der preussischen 
Verfassung über die Thronfolge sind daher auch maassgebend für die
	        
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