40 I. Von den Organen des deutschen Reiches.
unfähigkeit und Regentschaft aufgenommen hat, sondern eine noth-
wendige Konsequenz ihrer ganzen st htlichen Struktur. Würde
sie eine, nur irgendwie von der preussischen Verfassung abweichende
Bestimmung enthalten, so wäre es möglich, dass eine andere Person
in Preussen zur Regentschaft gelangen könnte, wie im deutschen
Reiche, wodurch der Grundgedauke der ganzen Reichsverfassung,
die untrennbare Verbindung der preuseischen Staatsgewalt mit den
Befugnissen des Reichsoberhauptes, wenigstens für eine Zeitlang in
Frage gestellt werden könnte. Es ist nicht eine Zurücksetzung
des Bundesrathes und des Reichstages, dass der preussische Land-
tag über die Einsetzung einer Regentschaft in vereinigter Sitzung
zu entscheiden hat, dass in Ermangelung eincs successionsfähigen
Agnaten der preuseische Landtag den Regenten zu wählen hat,
wenn nicht vorher ein preussisches Gesetz Vorsorge getroffen
hat, dass das preussische Ministerium die Regierung weiter zu führen
hat, bis der Regent den Verfassungseid geschworen hat, sondern
eine unabweisbare Konsequenz des oben festgestellten Fundamen-
talsatzes, dass die deutsche Kaiserwürde untrennbar mitder preussi-
schen Königskrone verbunden ist.! Auch genügt der Verfassungseid
des Regenten im preussischen Landtage. Als deutscher Reichsver-
weser hat er ebensowenig einen solchen zu schwören, wie der Kaiser
selbst.
Aber nur über den Erwerb der Kaiserwürde entscheidet das
preussische Staatsrecht, nicht über die Befugnisse derselben. Das
Kaiserthum, als solches, ist keine preussische, son-
dern eine reichsrechtliche Institution. Die Regierungs-
rechte des Kaisers werden lediglich durch die Reichsverfassung und
die Reichsgesetze bestimmt. Ihre Darstellung gehört daher in das
Staatsrecht desdeutschen Reiches. Wirunterscheiden persönliche
Rechte des Kaisers und eigentliche Regierungsrechte des-
selben.
ı A. M. sind v.Rönne, Staatsr. dos deutschen Reiches $26 8.226, v.Mohl,
Reichsstaater. S. 284. Die richtige Ansicht ist vertreten von Seydel in seinem
Kommentar S, 114, von Laband, Heichsstaatsr. 8, 217, von Held a.a.O. 8. 83
bis 96, von Thu dichumi in Holtzendorff's Jahrb. B. IS. 25 Nr. 1, besonders von
A.v.Kirchenheim, Die Regentschaft 1860. $ 14: Die Regentachaft i im
deutschen Reiche.