Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

2, Der Bundesrath. 49 
Ein deutscher Fürst, der seine Regierung niederlegt. kann selbst- 
verständlich auch nicht mehr im Bundesrathe vertreten sein. Eine 
Kuriatstimme der Mediatisirten, wie sie die Bundesakte und das 
österreichische Reformprojekt in Aussicht stellte, wäre ebenso staats- 
rechtlich undenkbar, wie eine gleichberechtigte Vertretung des 
Reichslandes Elsass-Lothringen, wenn dasselbe nicht zu einem 
wirklichen Einzelstaate konstituirt werden sollte Nur Staaten 
haben Platz im Bundesrathe, aber auch jeder Staat, selbst 
der kleinste, muss vertreten sein. Eine Entziehung seiner Stimme 
im Bundesrathe käme einer staatsrechtlichen Vernichtung gleich. 
Auch der Kaiser, als solcher, kann im Bundesrathe nicht vertreten 
sein, denn er ist das andere, neben dem Bundesrathe stehende un- 
mittelbare Organ der Reichsgewalt. Es giebt im Bundesrathe nur 
königlich preussische, keine kaiserlich deutschen Stimmen, wie 
auch im alten Reiche aus demselben Grunde der Kaiser im Reichs- 
tage keine Stimme hatte, sondern nur der König von Böhmen, der 
Erzherzog von Oesterreich u. 8. w. Darin unterscheidet sich aber 
die Sache wesentlich, dass jetzt die preussischen Stimmen immer 
von dem Monarchen geführt werden müssen, welcher zugleich In- 
haber der Kaiserwürde ist, also thatsächlich dem Einflusse des Kai- 
sera im Reiche zu Hilfe kommen. Der Bundesrath kennt keine 
Kurien oder Kollegien, wie der ehemalige Reichstag, noch verschie- 
dene Abstimmungsarten wie der ehemalige Bundestag (Plenum und 
engerer Rath. Der Bundesrath beräth und beschliesst stets als 
einheitliches Kollegium in pleno und stimmt stets auf dieselbe 
Weise ab, er kennt, abgesehen von den Ausschüssen, nur Plenar- 
versammlungen. Auch bei der Stimmenvertheilung im Bundesrathe 
hat man sich ganz an gegebene geschichtliche Verhältnisse ange- 
schlossen. Dieselben sind grundsätzlich nach demselben Ver- 
hältniss vertheilt, wie im ehemaligen Plenum der Bundesversamm- 
lung, nur mit der einzigen Ausnahme, dass Bayern sechs statt vier 
Stimmen führt und dass dem preussischen Staate die Stimmen der 
1866 einverleibten Länder beigelegt sind. Darnach ergiebt sich 
nach Artikel 6 der Reichsverfassung folgendes Schema: Preussen 
(mit den ehemaligen Stimmen von Hannover, Kurhessen, Holstein, 
Nassau und Frankfurt‘ 17 Stimmen, Bayern 6, Sachsen 4, Württem- 
berg 4, Baden 3, Hessen 3, Mecklenburg-Schwerin 2, Sachsen- 
Bischof, in der »Denkschrift betr. das fürstliche und gräfliche Gesammthaus 
Schönburg und dessen Anrecht auf Einräumung von Sitg und Stimme im Hohen 
Bundesrathe des norddeutschen Bundes, Giessen 1871. 
H. Schulze, Deutsches Staatsrecht. Il. 4
	        
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