60 L Von den Orgsnen des deutschen Reiches.
und hat bei der Unabhängigkeit der deutschen Gerichte keine Partei-
lichkeit zu fürchten. Ebenso steht es, wenn regierende Fürsten
deutscher Staaten als Privatpersonen, nicht als Staatsoberhäupter,
miteinander streiten!. Anders bei staatsrechtlichen Streitig-
keiten, wo ein Staat behauptet, durch einen Akt, welchen ein an-
derer Staat bei Ausübung seiner Hoheitsrechte vorgenommen hat,
rechtswidrig verletzt zu sein. In diesem Falle hat auf Anrufen des
verletzten Theiles der Bundesrath einzutreten. Seine erste Aufgabe
wird es in solchen Fällen sein, als Vermittler einzutreten, um einen
gütlichen Ausgleich zwischen den streitenden Theilen herbeizufüh-
ren. Gelingt dies nicht, so tritt die Nothwendigkeit ein, einen end-
gültigen Rechtsspruch zu thun, um den Streit aus der Welt zu
schaffen. Dies kann nur der Bundesrath, indem die Reichsverfas-
sung kein anderes Organ der Rechtsprechung für solche Fälle auf-
stellt. Der Bundesrath kann diesen Kichterspruch selbst thun,
obgleich er seiner ganzen Organisation nach zu nichts weniger taugt,
als zu einem Richterkollegium, denn seine Mitglieder brauchen
keine Richterqualität zu haben, sie stimmen nicht nach ihrer freien
juristischen Ueberzeugung, sondern nach Instruktionen, ja selbst
die Bevollmächtigten der streitenden Theile brauchen sich ihrer
Abstimmung nicht zu enthalten. Dem Bundesrathe ateht es auch
frei, die Entscheidung der Streitsache einem Schiedsgerichte zu
übertragen, mit der Maassgabe, dass er selbst den von dem letzteren
geschehenen Ausspruch als seine eigene Entscheidung anerkennen
und publiciren will. Analog werden hier auch jetzt die Bestimmun-
gen der Bundesakte Artikel 11, der Wiener Schlussakte Artikel
21—21 und der vorläufigen Austrägalordnung vom 16. Juni 1817
zur Anwendung gebracht werden, wie dies bei den Verhandlungen
über Artikel 76 von dem Regierungskommissar von Savigny?
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und Schwarsburg Rudolstadt, welcher sich um eino zu weit gehende Verfügung
Sondershausens über das Kammergut handelt, hat man behauptet, dass der Bun-
desrath nicht „suständig sei, weil die Fürsten bier nicht als Staatsoberhäupter,
dns i int t aber nicht richtig; das deutsche Kammergut ist zwar entschieden Stamm-
gut bes. Fideikommiss der fürstlichen Familie, aber es ist kein Priratfamilien-
fideikommis, sondern steht wegen seiner öffentlichrechtlichen Bestimmung zu-
gleich mit dem Staate in engster Verbindung, darum kommen die Fürsten hier
auch ala Staatsoberhäupter in Betracht.
2 Im sogenannten konstituirenden Reichstage sagte Savigny (1867. Ste-
nogr. Ber. S. 665) : »Unter dem Worte »e rledigt- ist nur im Allgemeinen ange-
deutet worden, dass der Bundesrath einerseits bestrebt rein wird, falls esihm nicht