3. Der Reichstag. 83
den Sessionen der Legislaturperiode erfolgt die Wahl sofort auf die
ganze Sitzungsperiode. Der Präsident übt die Disciplinargewalt über
die Reichstagsmitglieder, sowie die Polizei im Berathungslokale
während der Sitzungen, er ernennt die für den Reichstag nothiwen-
digen Beamten nach Maassgabe der hierfür in den Etat aufgenom-
menen Positionen (Geschäftsordnung $ 14).
8) Der Reichstag ordnet seinen Geschäftsgang durch eine Ge-
schäftsordnung, welche als ein Akt seiner Autonomie anzusehen
ist; dieselbe kann deshalb nur dieinneren Verhältnisse des Reiche-
tags ordnen, der Verkehr mit dem Reichskanzler und dem Bundes-
rathe kann nur durch Uebereinkunft mit diesen Faktoren geregelt
werden. Juristisch gilt die Geschäftsordnung nur für die Dauer der
Wahlperiode, sie wird aber regelmässig von einem Reichstage auf
den anderen übertragen. Der heutigen Geschäftsordnung liegt die
für den Reichstag des norddeutschen Bundes angenommene vom
12. Juni 1868 zu Grunde, mit Abänderungen vom 17. April und
12.Mai 1569, vom 12. März 1870, vom 22. Mai 1872 und vom 9. April
1574. Geschäftsordnung für den deutschen Reichstag,
berichtigt am 10. Februar 1876 (Hirth’s Annalen 1877
S. 190—561).
C, Besondere Rechtsverhältnisse der einzelnen Reichs-
tagsmitglieder.
Wir verweisen hier auf unsere Darstellung der besonderen
Rechtsverhältnisse der einzelnen Landtagsmitglieder im Landes-
staatsrecht. Buch I$ 160 S. 452 . Alle dort vorgetragenen Grund-
sätze sind auf die Mitglieder des Reichstages anwendbar. Auf diesem
Gebiete ist die Reichsverfassung nichts weniger als originell, son-
dern schliesst sich meist wörtlich an die Artikel der preussischen Ver-
fassung an, welche daher als wichtiges Interpretationsmittel für die
in die Reichsverfassung übergegangenen Artikel erscheint. (Mein
preuss. Staatsr. B. II $ 161 S. 162—173). Nur in einem Punkte
findet eine bedeutende Abweichung von der preussischen Verfassung
und den Verfassungen aller übrigen deutschen Einzelstaaten statt.
Während dort überall die Mitglieder der Volksvertretung (wenig-
stens in der zweiten Kammer) Tagegelder und Ersatz von Reise-
kosten erhalten, bestimmt die Reichsverfasung Artikel 32: »die
Reichstagsmitglieder dürfen als solche keine Besoldung oder Ent-
schädigung beziehen. Damit sind nicht nur alle Diäten und Ent-
schädigungen aus Reichs-, Staats- und Kommunalmitteln ausge-
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