81 I. Von den Organen des deutschen Reiches.
schlosscn, sondern es ist auch die Annahme von Entschädigungen
verboten, welche von Privateu oder Vereinen Reichstagsmitgliedern
mit Rücksicht auf diese ihre Mitgliedschaft gegeben werden. Frei-
lich fehlt es an einer Strafandrohung, wenn eine solche Entschädi-
gung angenommen wird. Dennoch ist ein solches Verbot civilrecht-
lich nicht ohne Wirkung, indem z. B. eine Klage wegen versproche-
ner, aber nicht geleisteter Entschädigung als unzulüssig abgewiesen
werden müsste. Von dem Grundsatze der Diätenlosigkeit ist
eine Ausnahme gemacht worden hinsichtlich der Mitglieder der für
Berathung der Gesetzentwürfe über Gerichtsverfassung, Civil- und
Strafprocess eingesetzten Kommission (Reichsgesetz vom 23. Decem-
ber 1874 und 1. Februar 1876). Auch wird den Reichstagsmitglie-
dern jetzt freie Fahrt auf allen deutschen Eisenbahnen während der
Dauer der Sitzungsperiode, sowie acht Tage vor Eröffnung und acht
Tage nach Schluss des Reichstages gewährt. Diese Vergünstigung
ist jedoch seit Beginn der jetzigen Sitzungsperiode dahin einge-
schräukt, dass nur freie Fahrt zwischen der Reichshauptstadt und
dem Wohnorte des betreffenden Abgeordueten gewährt wird. Ein
besonderer strafrechtlicher Schutz ist dem Reichstage und seinen
Mitgliedern gewährt. Artikel 105 und 106 des Reichsstrafgesetz-
buches.
$ 263.
IV. Von der Versammlung des Reiohstages oder dem Reichstage
im engeren Sinne,
l) Berufung und Eröffnung des Reichstages.
Die reichsoberhauptliche Stellung der Kaisers zeigt sich vor
allem (darin, dass er alleiu befugt ist, den Reichstag zu berufen. Der
Reichstag darf sich nicht versammeln und seine Thätigkeit beginnen
ohne kaiserliche Einberufung. Aber die Einberufung ist nicht in
die Willkür des Kaisers gestellt: derselbe muss wenigstens alljähr-
lich einmal einberufen werden (Artikel 13). Ausserdem ist es in
das Ermessen des Kaisers gestellt, ob er nicht ausserdem den Reichs-
tag noch einberufen will. Man unterscheidet darnach or-
dentliche und ausserordentliche Reichstagssitzungen. Der
Kaiser eröffnet in Person oder durch einen Stellvertreter die Sitzungs-
periode. Die Konstituirung des Reichstages erfolgt, sobald die
Anwesenheit einer beschlussfähigen Anzahl von Mitgliedern durch
Namensaufruf festgestellt und das Präsidium erwählt ist. Dieselbe
wird durch den Präsidenten des Reichstages dem Kaiser angezeigt.