Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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thun und that dazu; allein, daß sich die freie Bürgerschaft bei le- 
benslänglicher Aemterverleihung beruhigen werde, war unwahrscheinlich 
und durch keinerlei Beispiel der Stadtgeschichte bewährt. Die Auf. 
hebung der neuen lebenslänglichen Aemter und die endgiltige Fest- 
stellung der Verfassung aber gingen unter den schwersten und schreck- 
lichsten Ereignissen vor sich, die das mittelalterliche Staats- und be- 
sonders Stadtwesen aufweist. 
Das soziale Elend, welches ven Zeit zu Zeit die mittelalterliche 
Gesellschaft heimsuchte, vermag man nach dem Maße unserer heu- 
tigen Vorstellung kaum in Gedanken zu ermessen. Die moderne Volks- 
wirthschaft hat sich oft genug bemüht, durch Zahlenverhältnisse über 
Pauperismus und Sterblichkeit ein annäherungsweises Bild davon 
zu geben, wie groß die Fortschritte sind, die unsere Welt in diesen 
Dingen gemacht hat, aber diese Daten genügen nicht, um tief in 
die Vergangenheit zurückzugreifen, und nur der Histeriker kann ganz 
erkennen, daß das soziale Elend in den mittelalterlichen Zeiten jeder 
Beschreibung zuweilen Trotz bot. 
Der wesentlichste Grund sozialer Unordnungen lag fast immer 
in der vollständigen Abhängigkeit der großen Volksmasse eines Ortes 
von den Naturproducten einzelner Jahrgänge. Nicht daß es an 
Getreidehandel vollständig gefehlt hätte. Im 13. und 14. Jabr- 
hundert bezog man in Frankreich graße Getreidelieferungen aus Si- 
zilien, am Rhein wurden nach den Bedürfnissen, hinauf und hinab, 
Nahrungsmittel aller Art verschifft. Und dennoch melden die Jahr- 
bücher, in fast regelmäßigen Abschnitten, Nothstände selbst im Elsaß, 
diesem fruchtlaren Erdstrich. Es ist erstaunlich, wie stark da die 
Schwankungen der Getreidepreise waren: im Jahre 1278 kostete 
der Scheffel Roggen, dem heutigen Geldwerth nach, 3 Francs 80 
Centimes und im Jahre 1294, 39 Fr. 20 C. Solche Verhältnisse, 
wie sie die neueren Zeiten nur einmal kennen, im Jahre 1817, wo 
der Hectolitre von dem gewähnlichen Preis von 8 auf 96 Fr. ge- 
stiegen, sind gewöhnlich und regelmäßig in früheren Jahrhunderten. 
Im Anfang des 14. Jahrhunderts hatte das westliche Europa meh-
	        
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