Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

340 Der Entente-Angriff im ersten Halbjahr 1917 
  
  
Ausführung begriffenen feindlichen Absichten und Maßnahmen zunächst 
kein so klares Bild, wie ich es im Juli und August gewann. 
Ein Abflauen der französischen Angriffe wurde in der zweiten 
Moaihälfte fühlbar. Die Zurückhaltung des französischen Heeres dauerte 
weiter an. Mit dem jederzeit möglichen Wiederbeginn ihres Angriffs hier 
oder an anderen Stellen mußte ich indes rechnen. Die englische Armee 
setzte die Kämpfe auf dem bisherigen Schlachtfelde östlich Arras auch in der 
zweiten Maihälfte fort; zwar nicht mit der Kraft, wie seinerzeit in den 
Sommeschlachten, aber doch weiter an unserem Marke zehrend. 
Anfang Juni machte sich erhöhte Tätigkeit des Feindes vor dem süd- 
lich Dpern in die feindliche Stellung hineinspringenden Wytschaete-Bogen 
bemerkbar. Die Wegnahme desselben hat tatsächlich die große Flan- 
dernschlacht bereits im Juni eingeleitet. Solange er in deutscher Hand 
war, wurde jeder englische Angriff bei und nördlich Dpern von Süden her 
flankiert. Die taktische Lage der deutschen Truppen im Wytschaete-Bogen 
war keine günstige. Es schwebten Erwägungen, ihn zu räumen und die 
Sehnenstellung einzunehmen. Die Armee glaubte aber, ihn halten 
zu können. Ein abgeschlagener Angriff ist für jeden Verteidiger wegen der 
damit eintretenden, unendlich schweren Verluste des Gegners wertvoll, so 
stimmten die Heeresgruppe und auch die Oberste Heeresleitung dem Halten 
des Bogens zu. Es wäre geglückt, die Stellung zu behaupten, wenn nicht 
der Engländer ganz außerordentliche Minensprengungen vorgenommen 
und dadurch seinem in üblicher Weise mit gewaltiger Artillerie und dichten 
Infanteriemassen geführten Angriff Bahn gebrochen hätte. Unter dem Ein- 
druck dieser Sprengungen gelang am 7. Juni dem Feinde der Einbruch. 
Die Höhen von Wytschaete und Messines waren in den früheren 
Jahren Stätten regen Minenkrieges gewesen. Seit langem hatte die beider- 
seitige Sprengtätigkeit aufgehört; es war Ruhe eingetreten und in den 
Horchstollen feindliches Arbeiten nicht mehr festgestellt. Die Minen 
müssen daher schon lange geladen gewesen sein. Die moralische Wirkung 
der Sprengung war ungemein groß: unsere Truppe gab an verschiedenen 
Punkten dem feindlichen Infanterieansturm nach. Ein gewaltiges, in den 
Wytschaete-Bogen hineinschlagendes Artilleriefeuer verhinderte ein wir- 
kungsvolles Eingreifen unserer Reserven und ein Wiederherstellen der 
Lage. Die Sehnenstellung wurde jetzt mit unserer Zustimmung bezogen. 
Wünschen nach noch weiteren Abschrägungen trat ich entgegen. Der 
7. Juni hat uns viel gekostet. Der Einsatz war durch das Gelingen des 
feindlichen Angriffs sehr hoch gewesen. Auch hier dauerte es viele Tage, 
bis die Front wieder gefestigt war. Die englische Armee setzte ihre An- 
griffe nicht fort; sie hatte augenscheinlich nur die Ausgangsstellung für 
ihren großen Flandernangriff verbessern wollen.
	        
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