Die Berufung nach dem Osten 33
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entscheidender Stelle zu dienen. Vaterlandsliebe und Königstreue sowie
die klare Erkenntnis, daß jeder einzelne der Pflicht für Familie und Staat
zu leben hat, waren das Erbteil, das ich aus meinem Elternhause in das
Leben nahm. Meine Eltern waren nicht begütert, irdischen Lohn brachte
ihre treue Arbeit nicht. Wir lebten sehr sparsam und einfach ein harmoni-
sches und glückliches Familienleben. Mein Vater sowohl wie meine Mutter
gingen ganz in der Fürsorge für uns sechs Geschwister auf. Den Eltern sei
Dank hierfür vor aller Welt.
Als junger Offizier mußte ich mich redlich durchs Leben schlagen.
Meine Lebensfreudigkeit litt nicht darunter. Ich saß viel in meiner beschei-
denen Leutnantswohnung in Wesel, Wilhelmshaven und Kiel und las Ge-
schichte und Kriegsgeschichte sowie geographische Schriften. Was ich als
Kind in mich aufgenommen, erweiterte sich. Ich wurde stolz auf mein
Vaterland und seine bedeutenden Männer. Glühend verehrte ich Bismarcks
gewaltige und leidenschaftliche Größe. Das Wirken unseres Herrscherhauses
für sein Preußen-Deutschland zeichnete sich deutlich ab. Aus der Treue, die
ich geschworen hatte, wurde ein tief inneres Gefühl der Hingabe. Der aus-
schlaggebende Wert von Heer und Flotte für unsere Sicherheit, nachdem
Deutschland immer wieder das Schlachtfeld Europas gewesen war, drängte
sich mir förmlich auf, wenn ich die Geschichte Schritt für Schritt verfolgte. Ich
erkannte zugleich durch den Blick ins Leben die Größe und Bedeutung der
friedlichen Leistungen des Vaterlandes für die Kultur und die Menschheit.
Als ich 1904 in die Aufmarschabteilung des Großen Generalstabes
versetzt wurde, begann mein unmittelbares Wirken für die Armee. Der
Abschluß war mein Eintreten für die Milliardenvorlage.
Lange Zeit war meine Mobilmachungsbestimmung: Chef der Ope-
rationsabteilung der Obersten Heeresleitung. Als ich mein Regiment in
Düsseldorf bekam, hörte sie naturgemäß auf. Mein Nachfolger im Großen
Generalstab erhielt sie. Die Mobilmachungsbestimmung als Oberquartier=
meister der 2. Armee war mir wegen Lüttich bedeutungsvoll, sonst nicht
besonders anziehend gewesen.
Ich hatte unter General v. Moltke in der Leitung viele Große
Generalstabsreisen mitgemacht und einen tiefen Blick in den großen Krieg
getan. Meine neue Stellung bot mir Gelegenheit, zu zeigen, ob ich die
Gedanken des großen Lehrmeisters des Generalstabes, des Generals
Grafen v. Schlieffen, wenn auch nur im engeren Rahmen, in die Tat um-
zusetzen verstände. Mehr konnte einem Soldaten im Krieg nicht geboten
werden. Daß ich diese Stellung in einer für das Vaterland so überaus
ernsten Lage erhielt, bedauerte ich tief.
Mein ganzes Inneres und mein deutsches Empfinden spornten mich
zur Tat.
Kriegserinnerungen 1914—18. 3