Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Aufzeichnung über die in Wien geführten Verhandlungen 299 
  
  
Der deutsche Reichskanzler stimmte dieser Auf- 
fassung grundsätzlich zu. Der polnische Staat soll schließlich, 
so weit dies im Frieden mit Rußland durchzusetzen sein wird, möglichst 
weit nach Osten ausgedehnt werden. 
Die innere Verwaltung des polnischen Staates bleibt diesem über- 
lassen, vorbehaltlich einer erforderlichen Üübergangsperiode. In außer- 
politischer Hinsicht wird Polen dem Bündnis der beiden Kaiserreiche an- 
geschlossen, eine eigene auswärtige Politik kann Polen 
nicht führen. Die Beschränkungen eines Gesandtschaftsrechts Polens 
bleiben weiterer Erwägung vorbehalten. Verträge mit anderen Staaten 
zu schließen, ist Polen nur insoweit berechtigt, als der Inhalt dieser Ver- 
träge nicht im Widerspruch steht mit den in den Abmachungen der beiden 
Zentralmächte enthaltenen Beschränkungen. Deshalb müssen die Verträge 
den beiden Mächten vorher vorgelegt werden. 
Polen erhält seine eigene Armee. Über deren Errichtung sowie über 
die gesamte Organisation der gesamten militärischen Verhältnisse soll die 
erforderliche Vereinbarung durch eine gemischte militärische Kommission 
vorbereitet werden. Baron Burian wird dafür eintreten, daß die Auf- 
sicht und oberste Führung der Armee einheitlich sei 
und Deutschland zufalle. Der Abschluß der erforderlichen Mili- 
tärkonvention mit Polen wird nach Maßstab der vorstehenden Gesichts- 
punkte seitens beider Zentralmächte erfolgen. 
In wirtschaftlicher Hinsicht vertrat der deutsche Reichskanzler die Not- 
wendigkeit der Einbeziehung des polnischen Staates in 
das deutsche Zollgebiet, und zwar unter dem Gesichtspunkt der 
eigenen ökonomischen Lebensinteressen des polnischen Staates. 
Baron Burian dagegen vertrat den Standpunkt, daß beide Kaiser- 
reiche gleiche ökonomische Rechte in Polen haben müßten, ein Zollanschluß 
an Deutschland aber eine Benachteiligung der österreichisch-ungarischen In- 
teressen darstelle sowie politisch bedenklich sei und daher ein eigenes pol- 
nisches Zollgebiet gebildet werden solle. Es wurde vereinbart, daß die 
Frage der praktischen Wirkungen der verschiedenen Zollsysteme zunächst 
durch Sachverständige geprüft werden solle. Baron Burian stellte die 
baldigste Entsendung solcher Sachverständigen nach Berlin in Aussicht. 
Es wurde angeregt, daß aus den polnischen Eisenbahnen, die 
fast durchgängig russischer Staatsbesitzwaren, eine Aktiengesell- 
schaft gegründet werden solle. Der bezügliche Aktienbesitz 
verteilt sich unter die beiden Zentralmächte nach der Luote 
der Kriegsentschädigung. 
Die beiden Zentralmächte garantieren sich gegenseitig durch besonderen 
Vertrag, daß kein Teil ihrer bisherigen polnischen
	        
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