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um aus ihm Holz, Stärkemehl u. s. w. zu bereiten. Der Wald entzieht der Luft
durch seine ungleich größere aufsaugende Oberfläche weit mehr der genannten
Gase als die Wiese und das Kornfeld, er gibt in gleichem Maße mehr Sauer-
stoff an die Atmosphäre ab. Sein Einfluß auf die chemische Zusammen-
setzung des Dunstkreises der Erde ist deshalb von großer Bedeutung.
Der Laubwald wirft alljährlich seine Blätter ab; selbst die Nadel-
hölzer verlieren nach einer bestimmten Reihe von Jahren ihre Nadeln.
In den Nadeln und im Laube erhält der Boden einen Teil der minerali-
schen Stoffe zurück, welche ihm die Wurzeln der Bäume entzogen; die or-
ganischen Verbindungen der Blätter werden dagegen für den Boden eine
reiche Humusquelle. Der Schatten der Belaubung erhält dem Boden
seine Feuchtigkeit, die Verwesung arbeitet fort und fort, es entstehen
Moospolster, die Humusdecke des Waldes wächst von Jahr zu Jahr.
Wasser ist das notwendigste Lebensbedürfnis aller Pflanzen und
Tiere; ohne Wasser kein Saft, ohne Saftströmung kein Leben. Der Wald
entzieht der Atmosphäre viel Wasser, er haucht viel Wasser wieder aus.
Bewaldete Gegenden haben in der Regel eine feuchte Atmosphäre, sie haben
Regen und fruchtbaren Tau. Wie der Blitzableiter die Gewitterwolken,
so zieht der Wald die Regenwolke zu sich herab; sie erquickt ihn nicht allein,
sie kommt auch den benachbarten Feldern zugute; in der Nähe des Laub-
waldes findet man fast überall fruchtbares Ackerland. Der Tau ist ein
Niederschlag wässeriger Ausdünstungen der Erdoberfläche; wo er entstehen
soll, muß letztere Wasser abgeben. Der dürre Sand, der nackte Fels kann
wenig Wasser geben; ihn kann deshalb kein Tau erfrischen. Der Wald,
mit einer bedeutenden Verdunstungsoberfläche versehen, gibt seinem Boden,
gibt dem benachbarten Lande eine große Menge des erquickenden Taues;
der Boden des dichten Hochwaldes, am Tage durch die Sonnenstrahlen
weniger erwärmt, wird in der Nacht auch weniger durch Ausstrahlung er-
kältet. Die von Feuchtigkeit erfüllten Luftschichten über dem Walde senken
sich am stillen, kühlen Abend als Nebel in das Tal; der Tau perlt am Morgen
auf den Wiesen, er erquickt den Acker. Wie in den Küstengegenden die
Meeresdünste, so sorgen die Waldesdünste im Binnenlande für die Be-
wässerung des Bodens und durch dieselbe für dessen Fruchtbarkeit.
Die Mehrzahl der Flüsse entspringt auf bewaldeten Gebirgen; der
Wald erhält einer Gegend ihren Wassergehalt, er sorgt für die Flüsse,
er ernährt ihre Quellen; in der Wüste versiegen dieselben. Die ungeheuren,
wasserreichen Ströme Nordamerikas durchziehen den Urwald; ob sie so
wasserreich bleiben werden, wenn ihre Wälder verschwunden sind? Die
Winde fahren her und hin; fällt auch auf dürren Sand ein warmer Regen,
was hilft er diesem Sande? Begierig eingesogen, wird sein Wasser ebenso
schnell wieder abgegeben, keine Pflanzen sind vorhanden, die das Wasser
an sich fesseln könnten; nur wenige Pflanzenarten können überhaupt auf
dürrem Sande gedeihen, weil nur wenige imstande sind das Wasser lange
festzuhalten. Die Kakteen und die blattlosen Euphorbien sind fast die ein-
zigen Bewohner tropischer Wiesen; unser Sandgras wächst auf dem Flug-
sand dürrer Heiden und wird schon hier, indem es durch seine Wurzelaus-