Full text: Bismarck. Sein Leben und sein Werk.

Göttinger Freundschaften 19 
Korpssimpel ist er nie gewesen; seine Beziehungen zum alten 
Korps sind nicht sehr rege geblieben; sie lockerten sich allmäh- 
lich. Schon in Göttingen war er nicht ausschließlich mit seinem 
Korps in Verkehr. Er hielt sich schon damals wie Zeit seines 
Lebens unabhängig und blieb immer sein eigner Herr. Er suchte 
Umgang mit Engländern und Amerikanern wie mit Coffin und 
dem späteren Historiker der Niederlande Motley aus Dorchester 
in Massachusets. Es ist rührend, wie diese Freundschaft mit 
dem freien, ruhigen und klugen Amerikaner Motley auch in 
dem alternden Bismarck in jugendlicher Kraft erhalten bleibt, 
und der Kanzler wie ein Kind sich freut, als des Freundes 
Besuch in Varzin bevorstand. Auch mit einigen preußischen 
Edelleuten hatte er nahe Beziehungen wie mit den Freiherrn 
von Canitz und zwei Grafen Schulenburg und mit dem witzigen 
Balten Grafen Hermann Keyserling. Mit diesem erging er sich 
gern auch in wissenschaftlichen Gesprächen. Dieser Umgang 
machte dem jungen Bismarck Ehre. Denn Graf Keyserling war 
ein Mann von großer Bildung und weitem Geist, eine in jeder 
Beziehung liebenswerte Persönlichkeit, durch und durch Aristo- 
krat, dabei bescheiden, frisch, heiter und klar in seinen kern- 
gesunden Gefühlen. In Wissenschaft scheint Bismarck sonst nur mit 
dem Geschichtskolleg des Historikers Heeren in Beziehung getreten 
zu sein, der, ein Mann von nüchterner Klarheit und Weite der 
historischen Betrachtungsweise, ihm vielleicht die ersten Keime 
ins Herz gesenkt hat zu kräftigem Sinn für historische Wirk- 
lichkeit und wahre Macht. 
Im Herbst 1833 ging Bismarck nach Berlin, wie er selbst 
sagt, mit weniger liberaler Gesinnung, als er es verlassen hatte, 
eine Reaktion, die sich wieder abschwächte, nachdem er mit dem 
staatlichen Räderwerk in unmittelbare Beziehung getreten war. 
Auf der Rückreise lag er in Braunschweig, Magdeburg, Schön- 
hausen und Brandenburg drei bis vier Wochen am Fieber. 
Dann fanden sehr unangenehme Szenen zwischen ihm und seinem 
„Alten“ statt, der sich weigerte, seines Sohnes Schulden zu 
bezahlen. Das versetzte ihn, wie er Freund Scharlach schreibt, 
„in eine etwas menschenfeindliche Stimmung, ungefähr wie 
2*