— 11 —
und an seine Einficht glaubender Zivilist der Meinung sein könnte. Ich bin
also genöthigt, anzunehmen, daß die Herren in ihrer Oppofition gegen die
Vorlage noch andere Gründe haben, als die Zweifel an der Autorität des
militärischen Urtheils derjenigen Stellen, die ich namhaft gemacht habe.
(Murren.) — Aus dem leisen Murren im Hintergrunde ziehe ich den Schluß,
daß Sie bei dieser meiner Andeutung etwas ganz Anderes vermuthen, als
ich zu sagen beabsichtige. Ob das ein Zeichen ist, daß irgend Jemand sich
getroffen fühlt von der anderweiten Vermuthung, lasse ich hier unentschieden,
das ist mir auch gleichgültig. Ich fürchte aber, Sie setzen bei den Regierungen
andere Motive für deren Antrag voraus, als wie das ausschließliche Bedürfniß
unserer defensiven Wehrkraft. Es find ja in der Presse Aeußerungen gefallen,
als ob diese ganze Militärvorlage keinen Zweck weiter hätte, als unter
falschen Vorwänden Steuern, Geld zu erheben. Das war der Fall in
denselben entlegenen Theilen der Preßpolitik, wo die abenteuerlichsten, die
kindischsten Gerüchte, wenn fie über Nacht ausgeschrieen werden, sofort
Glauben finden. Es ist das ein so absurder Gedanke, daß wir mit einer
Forderung von 20 bis 30 Millionen eine Grundlage für neue exorbitante
Steuervorschläge gewinnen wollten, daß ich mich weiter gar nicht damit
aufhalte. Was den moralischen Werth einer solchen Infinuation betrifft und
ihre Bedeutung, so will ich doch nur darauf aufmerksam machen, daß sie
ungefähr in gleicher Linie stehen würde mit der andern, wenn wir sagen
würden, der Widerstand gegen unsere Vorlage sei eingegeben von dem Wunsche,
daß Deutschland im nächsten Kriege nicht glücklich sein möge. (Murren.)
Das steht ungefähr auf derselben moralischen Höhe wie ihre Verdächtigungen
(Murren) — nicht Ihre, sondern die Preßverdächtigungen gegen die Intentionen
der Regierung. Jene andere Verdächtigung hat doch noch mehr Haltbarkeit,
da sich nicht leugnen läßt, daß es viele Einwohner Deutschlands giebt, die
das Deutsche Reich und seine Fortexistenz negiren. Ich komme vielleicht auf
diese Frage nachher noch weiter zurück.
Ein glaublicheres Motiv, daß die Regierungen und namentlich die Ver-
treter des Kaisers ihre Pläne nicht eingestehen, könnte in der Richtung
gesucht werden, daß eine Verstärkung des deutschen Heeres etwa gewollt
werde aus denselben Gründen, aus denen mancher eroberungs= oder kriegs-
lustige Monarch eine starke Armee erstrebt hat, nämlich in der Absicht, dem-
nächst einen Krieg zu führen, sei es, um bestimmte Zwecke durchzusetzen, sei es,
um irgend etwas zu erobern, sei es, des Prestiges und des Bedürfnisses wegen,
sich in die Angelegenheiten anderer Mächte vorwiegend einzumischen, also z. B.
die orientalische Frage von hier aus zu reguliren. Ich glaube aber, auch dies
wird als vollständig unbegründet gefunden werden von dem, der darüber nach-
denkt, wie friedliebend die Politik Sr. Majestät des Kaisers bisher seit 16 Jahren
gewesen ist. Es ist ja wahr, der Kaiser hat sich genöthigt gesehen, zwei große
Kriege zu führen; aber diese beiden Kriege waren ein uns überkommenes zwin-
gendes historisches Ergebniß früherer Jahrhunderte. Sie werden die Thatsache
nicht bestreiten, daß der gordische Knoten, unter dessen Verschluß die nationalen