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mir zunächst den Eindruck von Heiterkeit gemacht; ich habe diese ganze
Preßhetzerei lächerlich gefunden, die Zumuthung, daß wir nach Bulgarien
laufen sollten, um „hinten weit in der Türkei“, wie man früher zu sagen
pflegte, die Händel zu suchen, die wir hier nicht finden können. Ich hätte
geradezu verdient, wegen Landesverraths vor Gericht gestellt zu werden, wenn
ich auch nur einen Augenblick auf den Gedanken hätte kommen können, mich
auf diese Dummheit einzulassen (große Heiterkeit), und es hat mich damals
auch wenig verdrossen; wir waren ja die Herren, zu thun und zu lassen,
was wir wollten. Es hat mich nur tief betrübt, einen solchen Aufwand von
Pathos in der deutschen Presse zu finden, um uns womöglich mit Rußland
in Krieg zu verwickeln. Als ich diese Deklamationen zuerst las, — sie sind
zum Theil weinerlich, zum Theil pathetisch, — so fiel mir unwillkürlich die
Szene aus „Hamlet“ ein, wo der Schauspieler deklamirt und Thränen ver-
gießt über das Schicksal von Hekuba, — wirkliche Thränen, und Hamlet
sagt — ich weiß nicht, wendet er den Ausdruck an, der durch Herrn Virchow
hier das parlamentarische Bürgerrecht gewonnen hat, den Ausdruck von
„Schuft" —: „Was bin ich für ein Schuft?", oder benutzt er ein anderes
Beiwort — kurz und gut, er sagt: „Was ist ihm Hekuba?" — Das fiel
mir damals sofort ein. Was sollen diese Deklamationen heißen? Was ist
uns denn Bulgarien? Es ist uns vollständig gleichgültig, wer in Bulgarien
regiert, und was aus Bulgarien überhaupt wird, — das wiederhole ich hier;
ich wiederhole Alles, was ich früher mit dem viel gemißbrauchten und todt-
gerittenen Ausdruck von den Knochen des pommerschen Grenadiers gesagt
habe: die ganze orientalische Frage ist für uns keine Kriegsfrage. Wir
werden uns wegen dieser Frage von Niemand das Leitseil um den Hals
werfen lassen, um uns mit Rußland zu brouilliren. (Bravol rechts.) Die
Freundschaft von Rußland ist uns viel wichtiger als die von Bulgarien und
die Freundschaft von allen Bulgarenfreunden, die wir hier bei uns im Lande
haben. (Heiterkeit rechts.)
Ich kann also wohl sagen, die Hoffnung, die ich an das Gelingen des
Bestrebens knüpfte, die drei Kaisermächte wieder zu einigen, welche ich zuerst
faßte, als es erreicht war, die Monarchen hier in Berlin im Jahre 1872 zu-
sammenzubringen, die hat sich in soweit verwirklicht, daß wir weit entfernt
sind von der Wahrscheinlichkeit, mit Oesterreich oder mit Rußland in Händel
zu kommen; es liegen gar keine direkten Motive vor, die unseren Frieden
mit diesen Beiden gefährden könnten; aber der Schutz, den der Frieden durch
diese Verbindung zu Dreien, ich möchte sagen, durch das trianguläre Karre,
welches die drei Kaiserreiche unter sich formiren, wenn der Ausdruck nicht un-
sinnig wäre, gewinnt, ist eben stärker zu Dreien als zu Zweien — und die
Schwierigkeit der Aufgabe liegt nicht darin, unseren Frieden mit Oesterreich
oder Rußland zu erhalten, sondern den Frieden zwischen Oesterreich und Ruß-
land. Dort liegt die Sache anders. Es giebt wirklich rivalisirende und mit-
einander konkurrirende Interessen, die diesen Beiden, unseren Freunden, die
Erhaltung des Friedens unter sich schwieriger machen, als es für uns mit