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herrschen, das ist in Oesterreich selbst eine sehr zweifelhafte Frage. Aber
von deutschem Lande war in dem Bündniß keineswegs die Rede.
Die Herren werden mir zugeben, daß ein siegreiches Frankreich, welches
bei uns Hannover hergestellt haben würde, sich damit nicht begnügt haben
würde, sondern es würde doch auch gedacht haben: selber essen macht
fett, wie das Sprüchwort sagt; es würde für Frankreich direkt das Rheinufer
genommen haben und so, wie wir damals die französischen Wünsche kannten,
— sie find ja aus den Benedettischen Verhandlungen bekannt —, so deckte
sich das ungefähr mit dem Winkel, der vom rechten Moselufer und von dem
linken Rheinufer eingeschlossen wird einschließlich Koblenz. Denn das war
ja, was man uns als einen Preis im Frieden abforderte. Wenn das schon
damals der Fall war, so ist es doch also wohl sicher, daß Napoleon in einem
siegreichen Kriege, wenn er den Frieden diktiren sollte, das ganze linke Rhein-
ufer genommen haben würde.
Wenn nun der Herr Abgeordnete Dr. Windthorst oder der Herr, der
heute in diesem Sinn über diese Frage gesprochen hat, mir nicht nachweisen
kann, daß in dem preußisch-italienischen Bündniß eine ähnliche Klausel oder
unabweisliche Bedingung zum Nachtheil Deutschlands gesteckt hat, dann wird
er mir zugeben müssen, daß sein Vergleich nicht zutrifft, und daß die ent-
rüstete und schmerzliche Bewegung, die sich bei ihm in Erinnerung an die
Vergangenheit gestern erkennbar machte, ihn veranlaßt hat, die Sache in
einem unrichtigen Lichte zu sehen und darzustellen.
Meine Herren, ich weiß nicht, ob die weitere Diskussion mir noch heute
zu weiteren Aeußerungen Veranlassung geben wird. Ich will es einstweilen
abwarten. (Bravol rechts.)
Nach längeren Ausführungen des Abgeordneten Dr. Windthorst
nahm der Reichskanzler Fürst Bismarck nochmals das Wort.
Die Rede desselben lautete:
Der Herr Abgeordnete hat die Hoffnung ausgesprochen, daß Gesetz und
Recht von den Regierungen vollständig beachtet werden würden. Ich kann
ihm darüber nochmals die bündigste Zusicherung geben: wir werden uns inner-
halb unserer verfassungsmäßigen Berechtigung bewegen; wir haben dabei aber
die Hoffnung, daß auch die Majorität des Reichstages dasselbe thun werde.
In seiner Zusammenstellung derjenigen Bestimmungen, die die Verfassung
über die Armee hat, hat der Herr Vorredner vorher vergessen, einen ganz
wesentlichen Satz vorzutragen: das ist das vierte Alinea des Verfassungs-
artikels 62, der da lautet:
Bei der Feststellung des Militärausgabeetats wird die auf Grund-
lage dieser Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des Reichs-
heeres zu Grunde gelegt.
Was ist nun die „auf Grundlage dieser Verfassung gesetzlich feststehende
Organisation?" Das ist der Artikel 59 und der Artikel 63 im Absatz 4.
Artikel 59 bestimmt die Präsenzzeit eines jeden wehrpflichtigen Deutschen bei