106 Die Volksschule.
Der einfachste und leichteste Fall ist die Gründung ciner vereinzelten
Privatvolksschule, welche aus subjectiven Gründen, (z. B. der um Ewerbung
eines anständigen Lebensunterhaltes willen, oder aus besonderer Liebe
zum Unterrichte) oder aus örtlichem Bedürfnisse errichtet werden will, also
nicht als 'Theil eines ausgedehnten Organismus solcher Anstalten. Auch hier
ist zwar das Bestelien einer guten Schule neben der öffentlichen Volksschule
nicht ganz ohne Naclhıtlieile für diese. Die Nebenschule zieht einen Theil der
Schüler an sich und vermindert dadurch das Einkommen der Öffentlichen
Selule. Ebenso vermindert sich das Interesse der Gemeinde an der letztern,
also auch die Geneigtheit zu Verwilligungen und Verbesserungen. Wenigstens
theilweise wird ein doppelter Aufwand gemacht, Es stehen jedoch diesen
Uebelständen auch entschiedene Vortheile gegenüber. So der natürliche
Wetteifer beider Schulen; die Verhinderung von Ueberfüllung der öffent-
lichen Schule; vielleicht die Ersparung weiterer Lehrer für die öffentliche
Schule; etwa die Möglichkeit einer Absonderung der Kinder nach Bildungs-
klassen. Jeden Falles übt ein Bürger ein an sich nicht antastbares Recht
und cine nützliche T'hätigkeit aus, und ist die ganze Vorkonmenheit nur
selten, also wenig fühlbar für das Ganze. Diese guten Seiten der Sache
sind so gewichtig, dass die bedenklichen dagegen zurücktreten und hier
keine Eirschwerung oder gar ein Verbot eintreten darf. Der Staat hat sich
zu begnügen mit der Forderung genügender Nachweise über ausreichenden
Leelirplan und über persönliche Befäliigung des I,ehrers.
Schon bedeuklicher ist der Fall, wenn eine mit entsprechenden Mitteln
ausgerüstete Privatkorporation oder eine freie Vereinigung systematisch eine
grössere Anzahl von Schulen errichten will. Unzweifelhaft kann eine solche
bedeutende Entfaltung der Privatthätigkeit höchst nützlich sein in einem
Jaande, dessen öffentliches Volksschulwesen dem Umfange oder den Leistungen
naclı Lücken hat, — wie diess z.B. die grossen englischen Schulgesellschaften
zeigen; — und hier wäre dann ein Verhindern ebenso unrecht uls sinnlos.
Allein anders verhält es sich da, wo der Staat ein System von Volksschulen
organisirt Lat und etwas Wesentliches nicht mehr zu vermissen ist, somit in
den hier doechr zunächst zu beachtenden deutschen Zuständen. Hier treten
die so eben bemerklich gemachten Schattenseiten von Nebenschulen eben
dadurch sehr in den Vordergrund, dass man es mit einer häufig sich wieder-
holenden Verdopplung 'der Schule zu thun hat. Es entstelit ferner System
gegen System, was zu Reibungen und zu widrigem Widerstreit gegen die
Forderungen des Staates führen kaun. Endlich ist nicht zu übersehen,
dass cine grosse Einrichtung dieser Art nicht wohl anders entstehen, bestehen
und die nöthigen Mittel aufbringen kann, als auf religiöser Grundlage und
mit bestiinmtem religiösem Zwecke, was zwar vollkommen wüuschenswerth
sein mag, aber ınöglicherweise auch das Gegentheil ist. Hier scheint dann