Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

Kriegsausbruch 40 
schließlich zum Ubertritt des Kaisers auf holländischen Boden. Wie 
diese Entwicklung auf das unbeteiligte Ausland wirkte, sagte mir ein 
hochstehender Neutraler: „Wir haben das deutsche Volk in seinem Ver- 
teidigungskampf bewundert. Daß es seinen Kaiser opfert, um für sich 
einen besseren Frieden zu erkaufen, scheint uns verächtlich.“ Es war 
erfüllt, was eine französische Zeitung am 2. April 1917 schrieb: „Die 
Alli#erten würden ein Meisterstück vollbringen, wenn sie den einfältigen 
Massen einschärften, sie dürften auf Vergebung hoffen, wenn sie eine 
Familie opferten, die gewiß allgemein unbeliebt ist und nur durch den 
Terror regiert.“ — 
Die Propaganda werde ich sonst in meiner Darstellung nur streifen, 
obgleich sie einen wesentlichen Bestandteil dessen bildet, was wir unter 
dem feindlichen Nachrichtendienst zu verstehen haben. Zu meinem Ar- 
beitsgebiet aber gehörte sie nicht. Propaganda und politischer Nach- 
richtendienst fehlten in Deutschland und wurden auch nicht bei Kriegs- 
ausbruch durch eine kampf-z und siegentschlossene Regierung geschaffen. 
Es war ein später nicht wieder gut zu machender Fehler, daß wenigstens 
bei Kriegsausbruch, als an den Dingen nicht mehr zu zweifeln und 
nichts mehr zu ändern war, das Versäumte nicht nachgeholt und der 
gesamte Nachrichtendienst von der Regierung zusammengefaßt wurde. 
Der Krieg wurde eben als eine militärische Angelegenheit betrachtet und 
darum blieb es auch beim militärischen Nachrichtendienst. Wie schlecht 
es aber tatsächlich mit dem Nachrichtendienst der politischen Reichs- 
leitung bestellt war, erkannte der Generalstab erst allmählich. In 
Charleville hatte ich eines Morgens dem Reichskanzler von Bethmann 
eine Bestellung des Generalstabschefs von Falkenhayn auszurichten. Er 
bat mich, noch einen Augenblick Platz zu nehmen: „Erzählen Sie mir 
doch einmal, wie es beim Feinde aussieht, ich erfahre so gar nichts 
darüber.“ — Das Bild war ein anderes, als das, welches ich einst vom 
Nachrichtendienst unter Bismarck gewonnen hatte. — 
Die Aufgaben, die dem militärischen Nachrichtendienst im Frieden 
gestellt gewesen, waren mit Kriegsausbruch erfüllt. Im Frieden war 
dieser Nachrichtendienst das einzige Mittel gewwesen, um Aufklärung 
über die militärischen Verhältnisse der nunmehr feindlichen Staaten zu 
schaffen. Jetzt traten die feindlichen Heere auf den Kriegsschauplätzen 
dem deutschen gegenüber. Die Aufklärungsmittel des Heeres schienen 
berufen, die für Schlachten notwendige Kenntnis vom Feinde zu ge- 
Nicolal 4
	        
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